Ich gebe es zu, lange Zeit habe ich mir auch keine Gedanken gemacht. Es war einfach schon immer so. Alles hat mit der Plastikflasche mit dem verwünschten Babyshampoo angefangen, welches nicht in den Augen brennen sollte und trotzdem teuflisch brannte. Dazu die Gummiente, welche eigentlich aus Kunststoff war, der Bademantel aus Polyester, der Duschzusatz mit Mikroplastik… Kurzum, schon als Kind wurde man buchstäblich in Plastik gebadet. So akzeptierte man das als völlig normal, wuchs damit unbeschwert auf.
Was ist “DIY-Klima”?
Etwas für das Klima und gegen die Katastrophe zu tun, kann im Alltag von jedem anfangen. Diese Artikel-Serie beschäftigt sich mit den Möglichkeiten, die jeder einzelne bereits jetzt hat. Oft sind es kleine Entscheidungen, die nicht unbedingt auf Verzicht, Komfortverlust oder teure Anschaffungen hinauslaufen. Meistens ist lediglich Inspiration, Kreativität oder eine einfache Änderung von Gewohnheiten schon ein großer Beitrag. DIY-Klima zeigt dir wie und erklärt dir auch Hintergrundwissen – denn nicht alles, was grün glänzt, ist auch grün. Mehr solche Beiträge findest du unter der Rubrik “DIY-Klima”.
Was ist das Problem?
Was sollte daran schlecht sein, wenn es die eigenen Eltern für ihre Kinder null hinterfragten? Nun, die Ressource Erdöl, die Giftigkeit der Chemie, das noch wenig erforschte Mikroplastik, welches nach jüngsten Erkenntnissen viel gefährlicher sein könnte als gedacht… Der inflationäre Einsatz von Plastik überschwemmt buchstäblich das Badezimmer. Du wirst abgesehen von den Fliesen (obwohl, nicht mal die – Farben etc.) nur wenige Gegenstände in deinem Bad finden, welche nicht zum Teil oder ganz aus erdölbasiertem Kunststoff sind. Sogar die Fugen, der Spülkasten, Klodeckel, Fensterrahmen, Tuben, Tigel, Töpfe, Handtücher, Zahnbürste – alles Plastik. An den Fliesen wirst du wenig ändern können – aber bei den Gebrauchsgegenständen, und dem Duschgel schon. Denn jede erneute Entscheidung im Drogeriemarkt könnte der Anfang einer neuen, besseren Gewohnheit werden. Denn bisher ist es bei den Deutschen damit nicht weit her. Im Schnitt produziert jeder ca. 38 kg Plastikmüll pro Jahr – und gehört damit zur Spitze in Europa. Und das ach so gute Gefühl der gelben Tonne täuscht. Sehr sogar. Denn schlussendlich werden weniger als 20 % wiederverwendet – vieles aus der gelben Tonne landet im Verbrennungsofen oder wird in Drittweltländer verschifft, wo es endgültig deponiert wird. Viele Plastikarten können schlecht oder gar nicht wiederverwendet werden – als Erdöl aus dem Boden geholt, transportiert und hochgiftig zu Kunststoff verarbeitet wurde es trotzdem schon. Einiges geht schon dabei verloren, weitere Teile verdampfen in der Luft als Gase, andere landen als Müll in der Umwelt. Damit ist alles, aber auch wirklich alles, was uns umgibt gemeint. Hausstaub, Atemluft, Pflanzen, Tiere, Wasser (ja, sogar auch Mineralwasser direkt aus der Quelle) – wir haben in den wenigen Jahrzehnten seit dem Zweiten Weltkrieg unsere komplette Biosphäre mit Kunststoff vollständig und unwiederbringlich kontaminiert. Man findet von der Arktis bis zum Mount Everest Rückstände. Feinst gemahlen als Mikroplastik oder noch schlimmer, in Form von Nanoplastik. Flüssig, fest, pulverisiert. Bei der Herstellung von einer Tonne Plastik entstehen fünf Tonnen CO2. Ungefähr 5 % der gesamten der CO2-Produktion weltweit rühren nur daher. Das ist mehr als der globale Flugverkehr. Bildlich vorgestellt landet jede einzelne Minute ca. eine volle LKW-Ladung Plastikabfall in den Weltmeeren. Kurzum: Müll, Klimagase und nicht zuletzt gesundheitsschädliche Stoffe sind die Folge des Plastikwahns.
Gesundheit
Mikroplastik findet sich auch in unsrem Körper wieder. Wir essen und atmen Mikroplastik – unweigerlich. Jedoch findet sich erstaunlich viel Plastik nicht nur in den offensichtlichen Verpackungen, sondern auch frisch in Produktinhalten. Kleinste Kügelchen finden sich in Zahnpasten für eine bessere Reinigungsleistung, flüssig in Haarspray, nanofein in Cremes, glitzernd in Duschgelen und Haarspülungen, Gesichtsmasken und vielen anderen Dingen mehr, die in unseren Badezimmerschränken stehen. Sie sind nicht notwendig für die Wirkung der Produkte, sie sind nur da drin, damit sich das Produkt besser anfühlt oder besser aussieht. Und weil es billiger ist. Die Stoffe sind nicht nur überflüssig, sie machen auch krank. Es gibt immer wieder und immer mehr Stoffe, wo mit der Zeit erst die Erkenntnis reift, dass sie schädlich sind. Titandioxid ist so ein Fall. Als nutzloser optischer Aufheller für besonders strahlendes Weiß findet man diesen mineralischen Stoff in einer Vielzahl an kosmetischen Produkten. Ist zwar kein Erdöl, aber quasi der Vorläufer des Mikroplastikproblems. Bis vor kurzem war der Stoff sogar noch in Lebensmitteln erlaubt, doch seit Anfang 2022 ist er auch in Deutschland wenigstens dort verboten. Titandioxid steht unter Verdacht, in der Lunge ähnliche Folgen wie Asbest haben zu können. Bei Babypuder war das besonders heikel und es kam zu einer Milliardenklage gegen den größten Hersteller wegen Krebsfällen. Will man sich damit die Zähne putzen? In den meisten Zahnpasten findet sich nach wie vor Titandioxid (auch Titaniumdioxid oder CI22891). Mikroplastik könnte analog ähnlich schlimme Konsequenzen haben, denn er dringt sogar bis in die einzelnen Zellen vor und richtet dort Schaden an. Wenn sich diese Befürchtung bewahrheiten würde, dann wäre der Schaden für die Menschheit derart unermesslich groß, dass es Generationen, ja Jahrhunderte dauern würde, sich nur ansatzweise davon zu erholen. Der extreme Einsatz von Erdöl in allen Lebensbereichen und der drastische Anstieg von Krebs in der Gesellschaft korrelieren zeitlich. Es gibt eine Vielzahl von möglichen Verbindungen zu Ursache und Wirkung, aber ein definitiver und klarer Beweis ist für die Wissenschaft bisher schwer zu erbringen, denn noch weiß sie sehr wenig darüber. Dass die meisten Kunststoffe aber nicht gesund sind, ist hingegen kontemporäres Allgemeinwissen. Warum also produzieren, konsumieren und vergiften wir uns weiter derart mit etwas, was zusätzlich auch noch den immer schneller werdenden Klimawandel antreibt? Duschgel zum Beispiel besteht zu einem überwiegenden Anteil aus Wasser – welches nutzlos durch die Welt gekarrt wird und bei Konsum gar nicht so praktisch ist, denn oft wird dadurch – ganz beabsichtigt – mehr vom Produkt verbraucht als nötig. Die Antwort ist vor allem wirtschaftlich motiviert.
Brainfuck Verkaufspsychologie
Wir konsumieren Plastik, weil wir es wollen – oder zumindest dazu gebracht werden. Die Tricks der Kosmetikindustrie sind raffiniert. Milliarden (15,8 im Jahr 2021 alleine) werden ausgegeben, um in uns Konsumenten Bedürfnisse zu wecken, die wir gar nicht haben. Einmal angefangen, führen Produkte oft zu Problemen, die dann mit weiteren Produkten behoben werden sollen. Zum Beispiel trockene Haut. Schöner aussehen, sich entspannen, die logische Idee, etwas Kaputtes zu reparieren – alles Strategie, geschicktes Storytelling und Psychologie. Farbe, Viskosität, Haltbarkeit (Duschgele ohne Konservierungsstoffe würden rasch schimmeln) werden mit Chemie so zurecht gemischt, bis wir denken, wir könnten darauf nicht mehr verzichten. Vieles hilft uns also nicht, sondern nur dem Geldbeutel der Beautykonzerne. Eigentlich wissen wir das alles. Eigentlich wollen wir es nicht hören. Eigentlich machen es alle ja so. Eigentlich.
Eigene Erfahrungen
Vor einiger Zeit habe ich Probleme mit meiner Haut bekommen. Im Gesicht. Da will man das ganz besonders nicht. Und nichts hat gewirkt, weder der Umstieg auf Naturkosmetik, Reinigungsmasken, Clenser noch besonders sanfte Wachlotionen aus der Apotheke. Ich kaufte ein Produkt ums andere in der Hoffnung, dass eben eines tatsächlich die versprochene Erlösung sein würde – es wurde aber nicht besser. Bis ich nicht mehr konnte und wollte. Und da las ich darüber, wie es vielen anderen Betroffenen geholfen hat, einfach radikal alles wegzulassen. Natürlich kann man nach dem Ausschlussverfahren immer wieder andere Stoffe weglassen, aber das dauert ewig. Was nicht rankommt, kann auch nichts anrichten. Klingt logisch. Und es hat funktioniert. Ein paar Wochen Geduld, denn die Haut muss sich wieder in den natürlichen Modus zurück kalibrieren. Die Zellenproduktion springt wieder an, der Stoffwechsel normalisiert sich. Ich habe einfach alles rausgeräumt und den ganzen Kladderadatsch weggeschmissen. Was noch neu war, habe ich verschenkt. Duschgel, Bartgel, Shampoo in der Flasche, Gesichtsspülung, Gesichtscreme, flüssige Handseife – weg damit! Und ich habe dabei noch gar nicht erst an das Klima gedacht. Doch durch meine Recherche kam ich immer mehr auf den Trichter, was so viel Plastik in der vermeintlichen Körperpflege für den persönlichen CO2-Anstoß für Folgen hat. Wenn das Bad plötzlich leer ist, fällt einem erst auf, wie viele Produkte man sonst eigentlich so herumstehen hat.
Alternativen
Natürlich ist nicht ganz alles weg. Ich will ja weiter hygienisch und gesund leben. Aber das Duschgel und Shampoo habe ich durch eine feste Seife ersetzt, die null Parfum und unnötige Zusätze mehr hat sowie in Karton verpackt werden kann. Doch selbst da musste ich suchen, bis ich etwas fand, was wiederum ohne Titandioxid auskam. Und komplett ohne irgendein Konflikt geht es auch nicht. Denn in Seifen sind auch immer Fette drin. Entweder tierische (Schlachtabfälle) oder natürliche (zumeist Palm- oder Kokosöl). Bei letzterem setze ich aber als Entscheidung auf zertifiziert nachhaltigen Anbau. Zahnpasta brauche ich auch. Die gibts zwar im Glas als Kaupillen, aber ich konnte mich damit nicht anfreunden. Wenigstens habe ich jetzt was ohne Gedöns und mit einer Tube, die aus rezykliertem Plastik ist. Mehr brauche ich nicht. Ich habe auch nicht daran geglaubt, aber meine Haut fühlt sich jetzt viel besser an, die Rötungen sind verschwunden. Die feste Seife mit Duftöl habe ich nicht so gut vertragen. Den Fehler vom Sisalsäcken für schönen Schaum müsst ihr auch nicht machen – denn dadurch bleibt die Seife feucht und verbraucht sich rasend schnell. Zu schnell aufgeben ist auch keine gute Idee – wirklich durchhalten, bis vor allem die Haut sich beruhigt und beginnt selber zu regenerieren und zu seiner natürlichen Funktion zurückkehrt. Wirkt die Haut trocken oder gar schuppig, kann man diese Hautreste sanft mit einem Baumwolllappen wegpeelen und eben auf keinen Fall in eine neue Schicht Fett ertränken. Wenn es hart auf hart kommt, kann man hie und da eine neutrale Creme benutzen. Guter Nebeneffekt, mein Freund findet, ich rieche jetzt besser und weniger künstlich nach Produkten. Ihm fällt der parfümierte Duft nun ziemlich auf, wenn ich trotzdem Antitranspirant benutzte – denn auch da habe ich keine Alternative gefunden. Natürliche Deos gibt es viele, aber die überdecken Düfte nur. Manchmal hilft einfach auch nur die eigene Vorstellungskraft. Wenn man sich vorstellt, dass Kaugummi synthetischer Gummi aus Erdöl ist und man da wirklich auf Plastik und nicht einem Lebensmittel rumkaut, dann vergeht einem die Lust darauf. Genauso mit längeren Haaren, anstatt sie mit einer Polymerschicht auch Kunststoff zu umhüllen, gibt es online genug Rezepte zu Spülungen auf Basis von Honig, Milch und Olivenöl oder anderen natürlichen Inhaltsstoffen.
Fazit? Geht radikal, muss aber nicht – die Ersparnis ist trotzdem erheblich
Bevor du aber nun auch gleich die Zahnbürste und den Badewannenvorleger wegwirfst: Benutze Dinge bis sie verbraucht oder am Ende ihres Lebens sind, das ist immer noch am besten, wenn du sie schon gekauft hast. Nicht alle kann man ersetzen und wie bei vielen Themen überzeugt Radikalismus auch nicht wirklich andere davon mitzumachen. Aber bewusster beim Kauf zu entscheiden, Plastik nicht mehr zu bevorzugen und insgesamt viel weniger Produkte anzuschaffen, hilft auf dem Weg, mit markant weniger Plastik zu leben. Es gibt verschiedene politische Vorstöße, Plastik zu verteuern, besteuern oder die Hersteller mehr in die Verantwortung zu nehmen – spätestens dann werden sowieso viele Konsumenten sich mit besseren Optionen beschäftigen müssen. Geduld mit der eigenen Umstellung, besonders mit der Haut, ist der Schlüssel und die Ballastbefreiung dann die Belohnung. Man kann das weiter als Ideologie abtun, aber ein Bad komplett aus Erdöl ist einfach nicht mehr zeitgemäß. Ich habe mir jetzt vom gesparten Geld eine hübsche Seifenschale aus Keramik gegönnt. Das lohnt sich, den so bleibt die Seife trocken und sie hält länger. Wenn dir diese Motivation hilft, rechne aus, was du auf deine Lebenszeit weiter an Geld investiert hättest. Viel Spaß bei deiner Umstellung!
Bonus 1
Das Thema Rasieren habe ich hier nicht gesondert nochmal aufgelistet, aber auch dort kommt viel Plastik zum Einsatz. Wie man dabei Plastik komplett wegspart, findest du hier.
Bonus 2
Noch ein Tipp für Reisen: Feste Seife hat den Vorteil, dass man sie auf Flugreisen ohne Probleme mitnehmen kann. Duschgel in der Flasche hingegen muss wegen der Sicherheitskontrolle jedoch meistens zu Hause bleiben oder durch Fläschchen mit noch mehr Plastikverbrauch ersetzt werden oder man kauft sich am Zielort eine normale Flasche, die man dann halbvoll wegwerfen muss, da sie auf dem Rückweg genauso wenig mit darf. Nimmst du sie im Aufgabegepäck mit, fliegt unnötig viel Gewicht durch die Weltgeschichte. Der Nachteil von fester Seife kann sein, dass die Verpackung noch im feuchten Zustand nicht gerade toll im Handling ist. Es gibt zwar Dosen, die lecken aber gerne, versiffen und rosten schnell. Es gibt eine wunderbare Lösung dafür. Nämlich ein Material, das atmet, aber dicht hält. Feuchtigkeit kann ausdampfen, Flüssigkeit aber nicht austreten. Ein Beutel aus diesem Material beherbergt deine Seife und am Zielort oder zu Hause kommt die Seife wieder komplett trocken aus dem Beutel heraus. Praktisch auch für Trekking oder Businesstrips. Im Gepäck wird nichts feucht, allerhöchstens kann es je nach Seife angenehm leicht nach ebendieser duften. Die Beutel kommen mit einem Rollverschluss, wo nichts auslaufen kann und welche man praktisch in Duschen oder am Handtuchalter aufhängen kann. Nicht ganz günstig, aber über die Zeit schnell amortisiert, wenn du die erwähnte Verschwendung beim Transport oder ständigen Nachkauf gegenrechnest. Hier der Link dazu (keine Partnerschaft).