Die fantastische Renaissance der Luftschiffe

Die erste europäische Airline gibt bekannt, dass sie bald Luftschiffe einsetzt. Nur ein Zehntel soviel CO2-Emissionen wie ein Verkehrsflugzeug und neue Technologien lassen eine großartige Zukunft vermuten. Let's Zeppelin!

So könnte man dem Klima zuliebe auch längere Flugreisen aushalten, oder?

Die Wiedergeburt der Luftschiffe wurde schon öfters bekannt gegeben. Doch eigentlich waren sie nie richtig tot. Deutschland war das Pionierland für Zeppeline und eine Katastrophe hat deren Siegeszug vor fast hundert Jahren abrupt beendet. Doch neue Materialien, eine völlig veränderte Welt, der langsam bewusst wird, dass sie rasend schnell mitten in die Klimakatastrophe steuert, verändern auch die Voraussetzungen für den kommerziellen Einsatz von diesen Fluggeräten mit erstaunlichen Fähigkeiten. Mehrere Firmen haben funktionierende Produkte entwickelt. Bald sollen damit Luxuskreuzfahrten, Regionalflüge und Transportlösungen für besonders schwierige Aufgaben möglich sein. Was und wer dahinter steckt und ob das Klima profitiert und wo du bald mit den ersten Linienflügen mitfliegen kannst, erfährst du in den nächsten Zeilen in einer luftigen Analyse. Lift off!

Die erste europäische Airline gibt gerade bekannt, dass sie bald Luftschiffe einsetzt. Neue Technologien und viel weniger CO2-Emissionen könnten eine großartige Zukunft versprechen. Let's Zeppelin!
Schiffscontainer transportieren, abgelegene Gegenden erreichen oder Regionalflüge ersetzen – schon bald Realität? Letzteres zumindest ja.

Über den Wolken…

Ja, Graf Zeppelin bastelte rund um die vorletzte Jahrhundertwende am Bodensee an der Idee von Luftschiffen. Im sogleich folgenden Ersten Weltkrieg spielten sie kurz eine Rolle, bis die Gegner herausfanden, wie man diese abschießt. Ziemlich genau vor hundert Jahren ging es dann richtig los mit Luftschiffen auf Linienflügen. Doch auch diese Episode wurde politisch gleich wieder unterbrochen. In den Dreißigern erlebte das Luftschiff dann seine Blüte und eine wahrlich goldene Zeit. Transatlantische Verbindungen, Schlafkabinen, ein Restaurant und sogar ein Piano gehörten zum luxuriösen Reisen in den Wolken. Schneller als die noch üblichen Schiffe und absolut mondän verbanden diese Luxuskreuzer im Himmel Europa mit den USA. Auch “Kreuzflüge” in die Arktis wurden unternommen. Das nicht so wohlgesonnene Naziregime, aufkommende Flugzeuge und schlussendlich das schreckliche Hindenburg-Unglück setzten dem Zeppelin aber dann ein jähes Ende. Schuld war, dass nur die USA über Helium verfügte und die Deutschen deswegen das Luftschiff notgedrungen mit brennbarem Wasserstoff füllten. Dabei lag es eigentlich nie an der Idee, sondern am weltpolitischen Umfeld, dass sich diese Art des Reisens nicht durchsetzen konnte. Nach dem Zweiten Weltkrieg hatte die Welt andere Sorgen und eine völlig neue Mobilität mit dem Automobil und dem Jet-Zeitalter änderte die Bedürfnisse nachhaltig. Später trat das Luftschiff als Freizeitflieger und spektakulär im James-Bond-Film “Im Angesicht des Todes” in Erscheinung, als der Bösewicht mit einem Luftschiff türmen wollte und mit Bond zusammen auf der Golden Gate Bridge zum finalen Kampf landete. Dieses Luftschiff im Film war schon eines der neuen Generation, das nicht mehr über ein starres, inneres Tragwerk verfügte, sondern über eine flexible, druckfeste Hülle. Bis heute kann man mit solchen Zeppelinen am Bodensee Touristenrundflüge unternehmen, quasi direkt über der Wiege des Luftschiffes. Ein kurzes Stelldichein mit relativ großem Hallo gab es im Jahr 2000, als ein Startup mit dem gigantischen CargoLifter Güterverkehr in der Luft anbieten wollte. Nach dessen Scheitern blieb nur der Hangar übrig, heute größte Halle Europas, welche zu einem Spaßbad umgebaut wurde. Konventionelles Fliegen wurde immer billiger und niemand sah die Notwendigkeit für Luftschiffe. Bis heute.

Für eine kurze Zeit war dies die bequemste und schnellste Art über den Atlantik zu reisen. Nicht eingequetscht in einer Economyklasse, sondern im großzügigen Salon. Sogar mit Piano.

Die fantastische Ankündigung

Die Welt hat sich in kürzester Zeit extrem verändert. Fliegen wurde immer komplizierter, nicht zuletzt wegen 9/11. Flughäfen wurden immer größer und immer weiter aus den Städten hinaus gebaut. Die immer dringender werdende Klimathematik, Corona und steigende Energiepreise machen es der Luftfahrt gerade sehr schwer. Derweil macht die Technik für die Riesenzigarren im Himmel Fortschritte und plötzlich besinnen sich verschiedene Firmen wieder auf das gute alte Luftschiff zurück. Denn für eine ganze Reihe von Anwendungen und Verbindungen könnte eine Renaissance der Zeppeline durchaus vielversprechend sein.

Das Luftschiff von Lockheed Martin soll zum Beispiel für humanitäre Einsätze genutzt werden können.

Der Rüstungshersteller Lockheed Martin bastelt an einem Luftschiff. Neben militärischen Aufgaben, die zwar heute fast vollständig von Drohnen erledigt werden, gibt es Ambitionen im zivilen Bereich Luftschiffe in einem Nischenmarkt etablieren zu können. Luftschiffe sind viel sparsamer und um einiges weniger wartungsintensiv als hochkomplexe und teure Hubschrauber. Um abgelegene Minen, Bohrinseln oder humanitäre Einsätze erreichen zu können, sind sie genau richtig. Mit den sich rasch verändernden Rahmenbedingungen scheint jetzt aber plötzlich noch ein weiterer Use Case hinzuzukommen: Linienflüge mit Luftschiffen. Wieder. Denn bevorstehende CO2-Steuern, höhere Steuern auf Inlandsflüge und teurem Kerosin, könnte zumindest auf Kurzstrecken tatsächlich das Luftschiff zu einer Alternative werden. Mit 130 km/h zwar nicht besonders schnell, aber viel komfortabler, könnten viele Verbindungen mit niedrigeren Kosten operiert werden. Genau das dachte sich AirNostrum, ihres Zeichens spanische Regionalfluggesellschaft, und will bis zu 10 Luftschiffe leasen. Zwar ist geplant, diese auch mit anderen Aufgaben wie Forschungsflügen etc. auszulasten, aber auch tatsächlich regelmäßiger Passagierverkehr soll es geben. Offiziell gibt man an, Vorreiter sein zu wollen und mit Alternativen zu experimentieren, um den ökologischen Fußabdruck senken zu können. Leasing ist zwar in der Luftfahrt weitgehend üblich, deutet aber doch darauf hin, dass ein erfolgreicher Betrieb mit tatsächlich 10 Luftschiffen der maximal optimale Fall ist. In Spanien, das nach China über das größte Hochgeschwindigkeitszugnetz verfügt, gibt es auch einen relevanten Markt für günstiges Reisen. Das Land hat leider auch so viele defizitäre Provinzflughäfen wie kein anderes Land in der EU, über 50 an der Zahl. Die werden oft nur von Iberia, in deren Auftrag AirNostrum fliegt, angeflogen, damit überhaupt ein Anschluss an die Welt besteht, nämlich praktisch ausschließlich immer in die Hauptstadt Madrid. Relevant könnte aber auch die Fähigkeit von Luftschiffen sein, Inseln anfliegen und auf dem Wasser landen zu können. Aber nur schon die Ankündigung und der Wille zur Pionierleistung ist doch bemerkenswert. Zumal viele Konzepte von Elektrofliegern bis E-Fuels auf Kurzstrecke in Entwicklung sind.

So wird die Variante für 100 Passagier bei AirNostrum in Spanien aussehen.

Der Einstieg ist teuer

Bestellt hat man den Airlander 10 der Firma HybridAirVehicles. Diese hat ein neuartiges Luftschiff entwickelt. Angetreten ist das Unternehmen vor allem mit der Idee, lange Frachtflüge in auch großer Höhe mit Luftschiffen durchführen zu können. Entwicklung kostet Geld, noch sind nicht alle Probleme, wie eben die Höhe, gelöst und man hat sich dafür entschieden, mit einer etwas banaleren Variante schon mal andere Geschäftsfelder zu erschließen. Nachvollziehbar. Zuerst ist dabei ein abgefahrener Luxuskreuzer herausgekommen, der mit einem fantastischen Innendesign einer sehr begüterten Klientel auch längere Sightseeing-Ausflüge ermöglichen soll. Eigene Kabinen mit Betten, aber ein Preisschild von bis zu 79’000 Dollar fürs Mitfliegen zeichnen diese Variante aus. Die Langsamkeit und die Fähigkeit überall hinzukommen macht diese Idee sehr spannend. Man kann Regionen, Naturwunder und Städte besuchen und langsam darüber schweben oder auch mal stehen bleiben, derweil Cocktails an der Bar schlürfen und sich im wahrsten Sinne des Wortes treiben lassen. Eigentlich genauso, wie in den Zeppelinen damals in der Belle Epoque, die nicht umsonst so genannt wird. Das Trägerschiff kann aber auch andere Kabinen tragen. Inzwischen gibt es eine fertig entwickelte Passagierkabine für ca. 100 Passagiere (AirNostrum) und auch eine einfach Frachtlösung für den Markt, den auch Lockheed Martin ansteuert. Diese Diversifizierung ist logisch, denn gut bezahlten Nischen sind der Steigbügelhalter, um vielleicht auf das Klimaross aufsteigen zu können. Warum, erfährst du im nächsten Abschnitt.

Luxuskreuzflüge bis ans Ende der Welt?

Vor- und Nachteile

Der Airlander 10 hat eine um 90 % bessere Klimabilanz als vergleichbare herkömmliche Flugzeuge. Das geht mit hybridelektrischen Motoren und weil der Auftrieb nicht durch Vorschub, sondern Helium im Ballon gewährleistet wird. Da ist auch ein bisschen der Haken, den Helium ist keine erneuerbare Ressource. Helium wird aus Erdgas gewonnen und dessen Problematik sehen wir gerade sehr aktuell. Es gibt weltweit nur fünf Großanlagen in den USA, Russland, Polen, Katar und Algerien, die Helium in den benötigten Mengen produzieren können. Ohne Russland also quasi nur vier Quellen, wo man momentan welches herbekommen kann. Das bringt gewisse Risiken mit sich, und zwar dieselben, die schon der Hindenburg damals wegen Heliummangels zum Verhängnis wurden. Die begrenzte Geschwindigkeit ist kommerziell auch nur für gewisse Strecken sinnvoll. Die Kabine steht nicht unter Druck, denn die Reisehöhen sind viel niedriger als die von Verkehrsflugzeugen. Der theoretisch geringe Platz zum Landen im Vergleich zu Verkehrsflughäfen mit langen Pisten usw. ist ein gewichtiger Vorteil. Der Airlander 10 kann fast überall landen. Aber ausgerechnet wahrscheinlich nicht da, wo die meisten Menschen hin wollen: in der Stadt. Nicht in vielen Städten gibt es große zentrumsnahe Freiflächen, die sich eignen würden. Das wäre aber Kriterium, um regionale Strecken konkurenzieren zu können. Aber vielleicht kommen ja die Theresienwiese in München oder das Tempelhofer Feld in Berlin durchaus in Frage. Fragen stellen sich auch zur Kompatibilität zu anderen Verkehrssystemen wie Anschlussflüge oder die Nähe zu Bahnhöfen, sowie die Sicherheitsfrage. Denn überall landen zu können, aber 100 Passagiere kommerziell in der Luft befördern zu wollen, setzt wahrscheinlich auch gewisse Grenzen in Sachen Überprüfung der Fluggäste. Das Luftschiff hat 10 Tonnen Nutzlast, was 100 Fluggäste mit entsprechendem Gepäck schon knapp werden lässt, jedoch hat es dafür eine theoretische Reichweite von sagenhaften 7400 Kilometer, welche aber durch die langsame Reisegeschwindigkeit für den Passagierverkehr eher nebensächlich sein dürften. Produktionsbeginn ist noch dieses Jahr, 2026 soll es die Zulassung geben. Damit wäre quasi ein Luftschiff mit mehr oder weniger demselben Nutzen wie vor hundert Jahren wieder heutige Realität. Die Pläne gehen aber noch viel weiter. Die schon angesprochenen hohen Höhen sind deshalb so interessant, weil man da oben mit starken Winden, dem Jetstream, mitfliegen könnte und so sehr schnell und sehr weit reisen könnte. Dafür müssen aber noch Hüllen entwickelt werden, die mit den Druckunterschieden zurechtkommen. Weg vom Helium und tatsächlich doch zum Wasserstoff wäre auch interessant. Dann könnte man den Auftriebsstoff auch gleich als Treibstoff nutzen und wäre völlig emissionsfrei. Aber das Feuerrisiko bleibt die größte Herausforderung. Auch wenn vorerst nur Güterverkehr damit angestrebt wird, könnte dereinst auch ein Reisen für Menschen möglich werden.

Die mögliche Passagierkabine des Airlander 10.

Fazit

Schon öfters totgesagt, hat das Luftschiff spezielle Vorteile und es tun sich gerade neue Möglichkeiten auf. Viel klimafreundlicher und komfortabler reisen wird gerade wieder wichtiger. Das eine könnte das andere sogar bedingen: für den sauberen Weg gibt es im Gegenzug mehr Komfort. Ähnlich wie bei Nachtzügen, die auch gerade eine unerwartete und fulminante Rückkehr feiern. Hingegen Luxusreisen ohne das Ziel, öffentlichen Verkehr im Sinne von Transport von A nach B anzubieten, sind klimatechnisch völliger Blödsinn. Aber wie beim Beispiel Tesla ist der Einstieg in den Massenmarkt meistens erst mit einem Luxusmodell sexy zu verkaufen und selbiges bringt auch die ersten Devisen in die Kasse. Die Entwicklung der Anbieter ist logisch, erst Nischen erschließen, um dann marktfähig für den Transport von Massen zu werden. Das Luftschiff wird kein Ersatz für die kommerzielle Passagierluftfahrt, kann diese aber in gewissen Felder durchaus ergänzen. Viele heutige Flugaufgaben könnten auch von Luftschiffen erledigt werden – und im Moment zählt jede Tonne CO2, die wir kurzfristig einsparen können. Luftschiffe sind eine alte und lange erprobte Technologie, die aber noch viel, viel mehr ermöglichen könnte. Perspektivisch wird sogar daran gedacht, ein Teil des globalen Schiffsverkehrs damit zu ersetzen. Das wäre dann der ganz große Wurf für das Klima. Wir brauchen keine 1:1 Ersatzlösungen, wir brauchen gerade ganz viele verschiedene Ansätze, um diese existenzielle globale Aufgabe zu meistern. Neo-Zeppeline sind ein Mosaikstein, der schon ziemlich greifbar ist. Tief hängende Früchte sollte man als Erstes pflücken, vor allem wenn die Zeit drängt. Würdest du in so einem Luftschiff reisen wollen? Lass der Klimablog-Community gern einen Tweet dazu auf Twitter oder neu auch auf Mastodon da. PS: Sagt man eigentlich bei Luftschiffen auch “ahoi”?

Magst du den Klimablog unterstützen?
Dann teile diesen Beitrag auf Mastodon, Bluesky oder
dem sozialen Netzwerk deiner Wahl. Danke!

Am Klimablog dranbleiben? Jetzt folgen!




Zurück zur Startseite