Ein rabenschwarzer Tag – aber nicht das Ende

Es ist in Worten kaum zu fassen, was gerade mit Fridays for Future passiert. Hier trotzdem ein Versuch, die Geschehnisse einzuordnen und Gedanken dazu, wie es weitergehen könnte.

Optimismus ist gerade schwierig. Aber mit genug Realismus ist das Geschehene die Stunde Null von noch viel Größerem. Reden wir darüber.

Fridays for Future (FFF) hat sich gerade selber demontiert. Das hat kaum auszuhaltende Folgen für uns alle. Klingt negativ, ist negativ. Schwarz malen ist eigentlich nicht die Mission vom Klimablog, trotzdem erstmal zum Kind im Brunnen bzw. was genau passiert ist, bevor wir über Lösungen und mögliche Entwicklungen sprechen. Falls du es nicht schon längst mitbekommen hast, hier die kurze Zusammenfassung:

Was ist passiert?

Angefangen hat alle schon vor ein paar Tagen, als die Klimaikone Greta Thunberg so unerwartet wie seltsam plötzlich politisch Stellung zum Nahostkonflikt bezog. Sie äußerte sich nicht nur selber, sondern teilte dazu auf Instagram auch noch einen Aufruf einer pro-palästinensischen Organisation. Das löste weltweite Irritation aus und viele lokale Fridays for Future- und ihnen nahestehende Organisationen distanzierten sich ganz deutlich von der Einzelperson Greta Thunberg. Der Schaden für die weltweite Klimabewegung war da schon immens. Doch nun folgt eine Woche später die weltweite Fridays for Future-Dachorganisation ebenfalls mit einem Post auf Instagram, der in dieselbe Kerbe schlägt. Die sozialen Medien explodieren, die Medien schreiben sich wund, die Verwirrung ist groß. FFF-weltweit nutzten schlicht ihre Reichweite, um völlig losgelöst vom Thema Klima eine antisemitische Haltung zu verbreiten. Dabei ist im Post von Gehirnwäsche westlicher Medien über Rassismusvorwürfen an Regierung bis Genozid die Rede. Das alles hat erstmal gar nichts unmittelbar mit der Klimakatastrophe zu tun. Doch genau die war bisher die einzige und damit Kernkompetenz der Organisation Fridays for Future. Der grauenhafte Terror der Hamas ist mit nichts zu entschuldigen, sondern kann nur auf Schärfste verurteilt werden. Zivile Opfer gibt es zwar auf beiden Seiten, und das ist in aller Form grausam wie tragisch, aber was zur Hölle hat sich FFF-weltweit dabei gedacht, so Partei zu ergreifen und damit geschichtsvergessen wie unglaublich verantwortungslos zu handeln?

Einordnung

Die Klimakatastrophe ist hochpolitisch, aber sich in andere Konflikte zu verstricken, beschädigt das Fundament der Klimabewegung grundlegend. Plötzlich auf den Begriff “Lügenpresse” einzuzahlen und die Wissenschaft infrage zu stellen, untergräbt die nicht verhandelbaren Grundwerte der Klimabewegung völlig. Die Menschheit steht gerade am Scheideweg und die Welt ist ein geopolitischer Krisenherd. Von der Ukraine über Nahost bis Taiwan und so weiter. Die organisierte Weltgemeinschaft in Form der UN hat dabei mehrere Zepter in der Hand. Unter anderem eben auch dasjenige der gemeinsamen Klimarettung. Der oberste Chef, Generalsekretär António Guterres, gilt als Anwalt des Planeten und hat sich mit ungeschickten Bemerkungen zur Causa Israel gerade ebenfalls sehr die Finger verbrannt. Da er als brillanter Stratege gilt, will ihm das mancher als Absicht zur Profilierung in seiner zweiten Amtszeit auslegen. Egal wie es war, auch das tut sein Wirkung und trifft den weltweiten Klimaschutz, da Guterres in Person auch quasi als Schutzherr junger Menschen und ihrer berechtigten Anliegen in Sachen Klimakatastrophe gilt. Und diese sind eben global über die, sagen wir mal Marke, Fridays for Future mehr bekannt als organisiert, wie sich jetzt herausstellt.

In Deutschland sind Klimabewegte vor allem in Form von zwei sehr unterschiedlichen Zusammenschlüssen, nämlich der gemäßigten und in letzter Zeit geradezu flügellahmen FFF-Deutschland und der sehr viel progressiveren wie auch ziemlich kontroversen Letzten Generation sichtbar. Während erstere in jüngster Zeit als paralysiert galt und letztere durch sehr medienwirksame Aktionen unter großem Druck steht, von Konservativen kriminalisiert und diskreditiert zu werden. Mitten in diesen sehr sensiblen Moment der Klimabewegung fallen nun die Äußerungen von Thunberg und FFF-weltweit. Ungünstiger könnten weder Aussage, Zeitpunkt noch die Folgen davon sein. Es ist schlicht eine Katastrophe, ein absolut schwarzer Tag. FFF-Deutschland mit der eigene Ikone Luisa Neubauer distanzieren sich klar von Thunberg wie auch FFF-weltweit, was zu erwarten war und absolut richtig ist. International sieht das nicht unbedingt überall so aus, zum Beispiel schlossen sich die schwedischen FFF der Haltung von FFF-weltweit an. Wie weit das aber von den Mitmachern legitimiert wurde, muss man nun stark bezweifeln.

Wie sich nun herausstellt – es gibt vorerst nur die eine investigative Quelle der Zeitung “jüdische Allgemeine” dazu – sind die Strukturen von FFF-weltweit hochproblematisch. Schon länger. Wenige Einzelpersonen haben anscheinend wenig bis gar nicht legitimiert Zugang zu deren Social-Media-Kanälen, Inhalte sind wenig bis gar nicht demokratisch oder zielorientiert abgestimmt. So rutschten diese immer mehr ab. Ein Akteur aus Deutschland fällt besonders auf, er wurde nämlich von FFF-Deutschland ausgeschlossen und äusserste sich in internen Chats gegen diese sehr negativ und zusätzlich eben aus antisemitisch. Insgesamt sind die Strukturen bei FFF bisher locker, wenig selber kontrollierend oder gar hirarchisch. Ganz im Gegensatz wie zum Beispiel beim puren Gegenteil Greenpeace. FFF-Deutschland arbeitet mit lokalen Ortsgruppen und bundesweit aktiven Arbeitsgruppen. Das klingt organisiert, dahinter stehen aber weniger klare Strukturen, als man vermuten könnte. Das gilt auch für die Kommunikation: auf sozialen Medien gibt es rasche Reaktionen, aber die Webseite ist zum Beispiel irgendwo noch vor dem 15. September stehengeblieben und geht nicht auf aktuelle Geschehnisse ein. Um global gegen die wirklich großen und dunklen Mächte in Sachen Klimakrise anzukommen, ist da viel mehr Geschlossenheit und Disziplin erforderlich. Ein Effekt, der eben auch in der gerade von FFF kritisierten klassischen Politik genauso symptomatisch ist.

Ein einmaliges Bild. Am 15.09.2021 trafen sich Menschen aus ganz Deutschland vor dem Reichstag in Berlin, um gemeinsam am globalen Klimastreik teilzunehmen. Genau hier war auch die Geburtsstunde der Letzten Generation – beim Hungerstreik neben dem Kanzleramt. Angela Merkel schaute weg, Armin Laschet lachte damals über das Ahrtal. Annalena hingegen rief die Aktivsten an, Robert Habeck besuchte das Camp sogar. Der ungeschickte Olaf reichte aber als neuer Kanzler nicht die Hand, sondern verkauft uns heute alle kalt berechnend mit verwässertem Klimaschutz an die FDP.

Folgen

Greta Thunberg war das streikende Mädchen, die autistische junge Frau, welche ein so starkes Rollenmodell für so viele andere junge und alte Menschen wurde. Sie und FFF-weltweit, als aus ihrem ursprünglichen Protest fast viral gewachsene Klammer für globalen Klimaschutz, waren schlicht die Aushängeschilder für Klimaschutz. Und diese sind jetzt unwiederbringlich beschädigt. Wer macht morgen weiter Druck auf die globale Politik, einzelne Regierungen, wer vertritt glaubwürdig Millionen von Menschen in der gemeinsamen Sache des Klimaschutzes? Wer bringt die Menschen auf die Straße? Die Zeit läuft ab, und zwar unmittelbar jetzt. Man kann und will sich nicht ausmalen, in welches Vakuum der Klimaschutz nun stürzen könnte, nachdem er bereits stark durch multiple Krisen und den darauf folgende Rechtsrutsch gelitten hat.

Das ist nicht nur ein Dämpfer, sondern wird als Folge mehr CO2 bedeuten und darum unweigerlich Menschenleben und unumkehrbar Zukunftsperspektiven kosten. So viele Unterstützer, Helfer, Mäzene, Kämpfer, Demonstranten, Aufklärer etc. stehen vor einem gigantischen Scherbenhaufen, die Unschuld ist verloren. Jetzt herrscht wortwörtlich auch hier Krieg. All die Scientists, Omas, Psychologists, Advocats, Teachers und Parents for Future haben das Problem, direkt namentlich mit den unsäglichen Handlungen sehr weniger verantwortungloser Akteure in Verbindung gebracht zu werden. Die Integrität ist kaputt. Wer will jetzt da noch mitmarschieren uns sich engagieren, wenn er fürchten muss, damit in eine antisemitische Ecke gestellt zu werden?

Warum?

Waren wir naiv? Ja. Wir alle wollen an das Gute glauben, Hoffnung finden und an eine Zukunft glauben. Sonst macht das Leben keinen Sinn. Auch der Klimablog hat sich der Hoffnung wortwörtlich verschrieben, um einen Antidot zur unzureichenden Berichterstattung großer Massenmedien zu setzen. Andererseits lautet der Claim vom Klimablog aber auch “Die Zukunft ist jetzt.” – ein deutlicher Hinweis auf faktenbasierten Realismus. Schönreden hilft niemandem, sondern verzögert nur. Stichwort Zukunftstechnologien. Realistische, jetzt einsetzbare Lösungen zu beschreiben, hilft hingegen Hoffnung zu schöpfen und damit Kräfte zu sammeln. Realismus ist aber eine tückische Angelegenheit, denn nur wenige vertragen ihn wirklich. Da ist der Begriff Panik nicht weit, der von den Rechten geframt wird und in der Klickwährung des Internets gerne von unseriösen Medien ausgentutzt wird. Es ist aber auch die Panik, welche Greta zu Recht mit “I want you to panic” in die Geschichtsbücher schrieb. Es ist so viel bequemer bei den Optimisten oder Pessimisten Trittbrett zu fahren und die Zeichen der Zeit nicht oder nicht genug ernst zu nehmen. Auch ist realistisch gesehen ein Hochstilisieren einzelner Personen bis hin zum veritablen Personenkult nie gesund. Greta wurde so zu einer absoluten Lichtfigur. Man glaubt halt gerne an einen Retter, Erlöser oder Heilsbringer – sonst müsste man ja noch selber Verantwortung tragen. Das öffnet jedoch auch der Schwurbelei oder dem gerade nun mit FFF erlebten Missbrauch Tür und Tor. In Wahrheit müssen wir uns alle selber retten. Und das geht beim Klima nur zusammen. Unser Problem ist vor allem, dass sich Demokratie gerne in der Mitte trifft, das geht aber beim Klima nicht mehr.

Die Klimastripes zieren das Cover von Greta Thunbergs Buch, welches wirklich gut und in Zusammenarbeit mit vielen namhafeten Wissenschaftlern erarbeitet wurde. Doch sie stehen in Zukunft wohl auch für einen immer hitzigeren Diskurs in der Klimadebatte. Diesen zu beschädigen, liegt im Interesse von erdölschwarzen Mächten. Klimaschutz ist eine Menschheitsaufgabe, die jeden angeht und nicht einem Lager zugerschrieben werden kann. Er ist nicht links oder rechts, sondern global. Eine Fragementierung nützt nur den Falschen. Das dürfen wir nicht zulassen.

Auch darum.

Eine weitere mögliche Erklärung von Einflüssen liegt, ganz ohne Verschwörungstheorien, auf der Hand: die globale Fossilindustrie mit ihrem rein wirtschaftlichen Interesse und die russische Absicht, möglichst Zwietracht in die westliche Welt zu sähen, vereinen und manifestieren sich gemeinsam in einer gigantischen Desinformationskampagnen im Internet. Denn ihnen ist es sehr unangenehm, wenn Demokratie erwachsen wird und wie beim Klima faktenbasiert auch einseitige, aber physikalisch logische und notwendige Schritte beschliesst. Unterstützt durch KI schalten BigOil und russiche Trolle gerade durch die dadurch mögliche schiere Masse an Bullshit nicht nur die nie ernst gemeinten Feigenblätter der Selbstkontrolle von Internetgiganten aus, sondern zerstören auch den globalen öffentlichen Diskurs und beschädigen bzw. verstopfen die demokratische Kommunikation dazu, welche gerad im Begriff ist, revolutionäre Massnahmen wie zum Beispiel der globale Klimafinanzausgleich zu schaffen oder Ölkonzerne auf Schadenersatz zu verklagen. Bildung, Haltung und Regulierung sind die einzigen Mittel gegen Desinformation. Doch um alle drei ist es momentan schlecht bestellt bei uns. Offenbar auch bei den Social-Media-Akteuren von FFF-weltweit.

Gibt es Lösungen?

Patentrezepte gibt es keine, doch wir alle haben durch Corona eine Masterclass in Resilienz besucht. Als kollektive Erfahrung sind wir gerade auf der Flucht vor Elon Musk. Dezentrale und föderalistische Strukturen im Internet, auf welchen das Internet ursprünglich selber basiert, finden in Form von Mastodon rasche Verbreitung. Und die weltweite Klimabewegung hat eigentlich eindrücklich bewiesen, dass in kurzer Zeit zusammen viel erreicht werden kann. Dass wir uns wehren können, dass es sich lohnt zu kämpfen. Dass es nicht nur ein Böse, sondern auch ein Gut gibt. Das alles sind Erfolge für eine weniger ultraneoliberale, weniger klimaschädliche und damit für uns alle bessere Welt. Ok, das hört sich nun an wie eine Sonntagspredigt. Kommen wir zum Kern des Probelms.

Der Schwachpunkt von FFF sind die Organisationsstrukturen. Diese müssen viel besser, partizipativer, inklusiver, demokratischer und zugänglicher werden. Als Metapher: Wird es nach dem Klima-Twitter FFF nun ein Klima-Mastodon geben oder eher ein Klima-Bluesky? Demokratische Politik hat bis jetzt im Klimaschutz versagt. Dabei spielen ungerechte Verteilung von Geld und Macht über Generationen eine große Rolle. Basis- oder direktdemokratisch Strukturen für einen Neuanfang der Klimabewegung kopieren diese Verzerrungen erstmal nur. Neue Strukturen, die mehr Selbstkontrolle und Beteiligung erlauben, sind keine einfache Aufgabe. Ob sich FFF-Deutschland weiter so nennt oder andere Organisationen wie die Letzte Generation nun wichtiger werden – wir werden es erleben. Ein Rebranding für FFF tut jedenfalls gerade Not, wie wäre es mit so etwas wie “All for Future”? Was irgendwie auch alle fordern, sind Bürgerräte, die beim Klima mitreden können, um das Übergewicht von Geld, Industrie und Öllobby in der Politik abzumildern. Dann wären solche Pralellstrukturen zur dieser irgendwie gar nicht mehr so notwendig. Zarte Versuchsschritte geht die Ampel nun gerade bei der Ernährung.

Dass das auch beim Klima und voll digital funktionieren kann, zeigt Schottland. Wieder das Stichwort der gereichten Hand. Herr Scholz, die Gelegenheit wäre günstig, aber sie haben es schonmal verpasst, damals bei ihrem Amtsantritt. Daraus ist dann aus Frust die Letzte Generation entstanden. Genau wie Sie auch Mastodon als dezentrale, resilientere und föderalistische Anwort auf aggregierte Plattformen des Hasses von Multimilliardären fördern könnten, anstatt unsäglicherweise Screenshots von eigenen Tweets auf Bundeswebseiten zu veröffentlichen. Noch mehr digitale, politische wie kommunikative Inkomeptenz kann man kaum beweisen. Und Mastodon wäre ebefalls direkt vor der Haustür als sehr tiefhängende Frucht pflückbar. Das würde dem Klimadiskurs enorm guttun. Wenn Sie jetzt nicht auf die Klimabewegung rettend zugehen (wie hier schonmal gefordert), anstatt von Neokolonialismus im Namen der Klimarettung zu schwadronieren, dann wird dieses Versäumnis für immer mit ihrem Namen verbunden sein.

Fazit:

Bis dahin braucht es aber trotztdem und gerade darum einen Neustart der Klimabewegung. Besser organisiert und stärker als je zuvor – gebaut auf der Asche der Vorgänger. Denn aufgeben ist schlicht keine Option. Was auf gar keinen Fall passieren darf, ist eine Fragmentierung, wie sie jetzt bei sozialen Netzwerken oder politischen Parteien geschieht. Klimaschutz ist global, simpel in seiner Forderung und indiskutabel in seinen Zielen. Die Zeit reicht nicht für weitere Plänkeleien und der Klimablog zitiert sich selber “ab jetzt müsste jeder Handgriff sitzen”. Diesmal aber nicht nur in der Politik, sondern auch im Lager der Klimabewegten. Der nicht heilige, sondern vor allem realistischste Gral ist, wenn sich beide die Hände reichen würden und endlich gegen BigOil und Multimilliardäre gemeinsam entschieden vorgehen würden. Erst dann zündet der Turbo und die Zukunft hat eine Chance, eine zu bleiben. Doch die Hoffnung stirbt zuletzt, jetzt müssen wir alle ran. Um die Hoffnung nicht zu verlieren hier eine Zusammenstellung von Selbstwirksamkeit durch Aktivität. Geht weiterhin auf die Straße und zu all den Gruppen “for Future”, denn der Fehler bei FFF-weltweit darf nicht alles kaputt machen. Es liegt in unseren Händen, daraus zu lernen und noch viel mehr zu schaffen.

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