Flixtrain gedeiht weiter – nur nicht ganz so wie gedacht

Grüne Züge, die Grünes bewirken und revolutionär den Mobilitätsmarkt erobern und umkrempeln sollen. Ein paar Jahre gibt es nun schon die Konkurrenz zur herkömmlichen Bahn. Der Weg war aber nicht ganz einfach und bleibt auch weiterhin turbulent. Eine Rück- und Ausblick.

Flixmobility, der Mutterkonzern von Flixbus und Flixtrain hat sich kürzlich einfach nur in Flix umbenannt und sich dabei auch gleich von der deutschen GmbH in eine europäische SE gewandelt. Eigentlich ist Flix ein klassisches Startup und ein typisches Kind der Plattform-Ökonomie. Denn Flixbus betreibt praktisch keine eigenen Fahrzeuge, sondern lässt Dritte im grünen Kleid für sich fahren und betreibt selber vor allem die App, verkauft Tickets und erstellt Fahrpläne. Das wird beim Bus wie beim Zug so gemacht. Damit konzentriert sich das Unternehmen auf Dienstleistungen und vor allem auf die extreme Expansion. Jüngst passiert einiges in der Bahnsparte, einiges gelingt, anderes nicht so. Wir tauchen ein:

10 Jahre…

Angefangen hat alles mit GoBus, so hieß Flixbus bei seiner Gründung 2012 noch. Schon kurz danach kam aber die Umbenennung in Flixbus. Das ist erst zehn Jahre her. Man nutzte die Chance der Marktliberalisierung im Busfernverkehr. Und jetzt ist es der größte… ja was nun denn? Busanbieter nicht, weil keine eigenen Busse, Mobilitätsdienstleister ist zu allgemein, Konzern passt nicht ganz, gibt noch andere global Player in Sachen ÖPVN, sogar heimische… Alles irgendwie schwer zu fassen. Aber frontal einfach für Kunden: grün, billig, Flix. Während hierzulande vor allem noch die Fusion mit MeinFernbus in Erinnerung ist, hat das Unternehmen aber ganz nach der Startup-Manier “go big or go home” sein Geschäft rasend schnell skaliert. Dabei hat es eine lange Liste an Busunternehmen in ganz Europa und neuerdings auch den USA (den historischen Greyhound) zusammengekauft. Weiter wurde aggressiv in andere Märkte expandiert, jüngst nach Großbritannien und nach Brasilien. Das Modell funktioniert also weltweit. Und nicht genug, auch der Bahnmarkt lockt, auch dort wächst man unter der Marke Flixtrain stetig weiter, auch wenn es dort ungemein größere Hürden zu bewältigen gibt.

Die Investoren

Aber zuerst noch ein Ausflug in die Schatzkammer von Flix. Als Startup ist man auf Investoren angewiesen, die in die Technologie und Plattform viel, sehr viel Geld pumpen. Illuster dabei sind am Anfang ein Verlag (Holtzbrinck), ein Autohersteller (Daimler) und eine Universität (TU-München) mit Know-How. Klassisch. Doch schon 4 Jahre später steigt ein erster Investementfonds (Silver Lake) mit ein. Holzbrinck geht mit und über die Zeit kommen dann Geldgeber wie Premira, TCV, General Atlantic und auch BlackRock mit ab Bord. Hunderte Millionen sind für die schnelle Markteroberung notwendig. Ob diese riesigen Finanzkraken noch so ganz grün sind, liegt im Auge des Betrachters, aber einige davon bemühen sich ganz offen um wenigstens ein paar Investitionen, denn der Trend ist mittlerweile auch in der Finanzwelt definitiv ernstes Risikomanagement geworden. Soweit so gut.

Grüne Technologie

Den Markt aufmischen und für mehr Wettbewerb sorgen, bringt auch andere Anbieter dazu, mehr für die Umwelt zu tun – zumal dies auch Kunden immer wichtiger wird. Mehr Bahn, mehr Bus und bessere Technologie, alles im Portfolio von Flix. Man experimentiert mit komplett elektrischen Buslinien in Seattle, auf der Strecke Paris-Amien in Frankreich und auch mit Wasserstoffbussen in Deutschland. Aber auch hier gilt, jeder muss diesen Weg bald sowieso gehen, ein Vorteil und ein Marketingargument hat, wer sich schon frühzeitig darum kümmert. Noch kommen bei den Zügen quasi recyclierte alte Wagen mit neuen Sitzen zum Einsatz, das wird aber über kurz oder lang nicht so bleiben, dazu gleich mehr. Schon die Farbe Grün vermittelt die Grundidee ganz bestechend.

Kleiner Konkurrent oder große Gefahr für die bundeseigene Bahn?

Zum Zug gekommen

Flix wurde auch zum Train. Und das eher per Zufall. Zwar gab es ein zaghaftes Fühler ausstrecken z.B. mit der Zusammenarbeit mit der WestBahn in Österreich, man vertrieb gemeinsam Tickets. Eigentlich den Weg bereitet hat aber Locomore. Auch ein Startup, das Ähnliches wie Flixbus wollte, einfach auf der Schiene. Plan war, mit alten aber aufgehübschten Zügen lukrative Strecken günstiger anzubieten. Stuttgart-Berlin war der Anfang. Die Ideen von Locomore waren gut, aber Locomore fehlte die Plattform. Guter Service, gute Zielgruppenausrichtung, tolle Sitze in renovierten Waggons, Service an Bord wie z.B. dem Zusammensetzen der Reisenden in Abteil nach deren Interessen usw. Aber die Marktmechanismen waren gnadenlos und Locomore von Anfang an zum Scheitern verurteilt. Der Atem reichte nicht besonders lange. Gefreut haben sich über die Pionierarbeit dann Dritte – zunächst. LeoExpress, ein tschechischer Zugbetreiber kaufte die Reste auf und Betrieb Locomore zunächst weiter, Flixbus stieg als Verkaufsplattform ein. Die Marke Flixtrain war geboren. Die Coronapandemie brach dann der Kooperation das Genick, es kam zu wüsten Anschuldigungen, Flixbus würde LeoExpress noch Geld schulden. Aber der Schuh war in der Tür für Flix. Auch der andere private Fernzug, der HKX (Hamburg-Köln-Express) kam in die Hände von Flixtrain. Man blieb dem Konzept treu, keine Züge kaufen oder betreiben – nur Dienstleistungen und Planung.

Das neue Interieur von Netflix – die Wagen sind aber bis zu 50 Jahre alt

Das Sprungbrett

So dümpelte Flixtrain eine Weile vor sich hin. Die Flixgründer erzählten öfter mal in der Presse von Plänen und Visionen. Die Coronakrise wurde aber auch irgendwie zum Wegbereiter, waren zum Beispiel Trasseepreise günstiger und die Konkurrenz risikoscheu bzw. nicht spendierfreudig. Während gerade in Spanien der Hochgeschwindigkeitsmarkt mit Getöse liberalisiert wird, hätte sich Flix durchaus auch für deutschen Fernverkehr in der höheren Geschwindigkeitsklasse interessiert. Aber das Problem ist vor allem, dass es dafür keine gebrauchten oder preiswerten Züge auf dem Markt gibt. Eine Lösung könnte da eher die schiere Masse sein. Es wurde gemunkelt, Flix könnte Doppelstock-Hochgeschwindigkeitszüge von Alstom in Deutschland einsetzen, welche mehr Kapazität als die oft überlasteten einstöckigen ICE der Deutschen Bahn haben. Quasi nach dem Modell der Billigtochter Ouigo der SNCF in Frankreich und Spanien. Doch man backt noch etwas kleinere Brötchen, trotzt erneuter Finanzierungsrunden mit erwähnten Investementfonds. Man hat in inzwischen weitere Wagen besorgt und bereits bestehende umgebaut, bzw. umbauen lassen, man besitzt wie gesagt nicht. Und die sind richtig schick geworden. Einfach, aber ziemlich gut. Auch der Sprung nach Schweden ist kürzlich gelungen, kurz verzögert durch Corona. Kunden meinen aber, dass die Wagen wohl etwas zu schlecht isoliert seien für die Kälte in Schweden. Dort fährt man in Konkurrenz zu zwei anderen Anbietern auf der Paradestrecke des Landes zwischen Göteborg und Stockholm.

Das Netz wächst stark, viele Landesteile sind schon erreichbar.

Hinter den Kulissen wurde aber derweil zum Großangriff geblasen. Flix will eine Milliardeninvestition anstoßen, um das erste Mal nagelneue Züge im richtig großen Stil zu kaufen bzw. über einen entsprechenden Partner betreiben zu lassen. Züge sind teuer und deswegen ein eher langfristiges Investment sowie ein stark reguliertes Geschäft. Zwar gab es ein Bieterverfahren, wo auch Alstom und Siemens mitgeboten haben – aber bevorzugt sollte bei Transwagonmash gekauft werden. Einem russischen Zughersteller, der gerne nach Westen vorstoßen würde (z.B. lieferte man sich gerade ein Handgemenge mit dem eher teuren Zugbauer Stadler in der Sparte der Zugwartung). Einfache Wagen anstatt teure und komplizierte Triebzüge waren das Mittel der Wahl. Kosteneffizient. Laufen sollte der Deal über die Schweizer Tochter von Transwagonmash, welche vier Oligarchen gehört. Doch dann passierte der Angriffskrieg in der Ukraine. Der Deal ist futsch und ob die anderen Bieter zum Zug kommen, ist noch unklar. Die Wagen könnten unter anderem auch für den neuesten geplanten Markteinstieg in Österreich gedacht gewesen sein. Die lukrative Strecke Wien-Salzburg-München wird schon von den ÖBB und der Westbahn als Konkurrent umkämpft – teils sehr hart, mit Kauf und Verkauf bzw. neuen Finanzkonstrukten für neue Züge. Genau für diese Strecke hat sich nun Flixtrain beworben. Es könnte vielleicht schon 2023 losgehen, fest steht noch nichts. Aus ehemaligen Partnern würde dann Konkurrenz. Österreich fördert diesen Wettbewerb stark mit dem Klimaticket, welches die WestBahn auch teilweise über die Pandemie rettete – das lockt wohl auch Flixtrain. Definitiv wird auch eine Verbindung in die Schweiz eingeführt, konkret nach Basel. Tickets von Basel nach Berlin sollen gerade mal 10 Euro kosten – ein Bruchteil der bisherigen Preise bei der Bahn. Fahrten mit dem Flixtrain dauern länger und sind nicht auf Geschäftsreisende ausgerichtet, wie der ICE-Verkehr der Deutschen Bahn. Das erschließt eine andere Zielgruppe. Studenten, Rentner, Menschen mit Zeit, aber wenig Geld, die sonst mit Ridesharing oder gar Billigflügen gereist wären. Die Preise sind so günstig, weil nicht sehr oft gefahren wird und die Auslastung deswegen pro Fahrt höher wird, es werden gebrauchte Wagen eingesetzt und man muss auf Annehmlichkeiten wie 1.Klasse, Speisewagen, Bar, Sitzplatzservice usw. verzichten. Das nennt sich No-Thrills-Modell und ist den Billigfliegern nicht unähnlich. Zwar fahren die Züge mit neuen Loks 200 km/h schnell, aber nicht so schnell wie die ICE-Hochgeschwindigkeitszüge. Halteorte sind nach Zielgruppen ausgerichtet, zum Beispiel Universitätsstädte. Auch wählt Flixtrain günstigere Slots im Fahrplan, die sogenannten Trassen – damit sinkt die Trassengebühr, welche weitergegeben werden kann.

Berlin Janowitzbrücke – Lustiger Fakt: In den Bögen direkt darunter befindet sich das Startup-Innovationslabor der Deutschen Bahn

Fazit

In der Suppe von Flixbus kann man als Kunde einige Haare finden. Die Karriere des Unternehmens ist allerdings klassisch Startup. Mit großem finanziellen Möglichkeiten zuletzt ausgestattet und mit für Plattformen üblich einem Streben nach Marktdominanz und Expansion, ging der Weg steil nach oben. Der logische Schritt auf die Schiene gelang eher konservativ durch eine gute Gelegenheit und Geduld. Denn passende Wagen und Betreiber sind nicht ganz so einfach zu finden wie beim Bus. Expansion ist Gebot der Stunde, aber die Coronakrise richtet nicht nur Gelegenheiten, sondern machte auch einen Strich durch die Rechnung der größten Investition von Flix. Jede Konkurrenz zur Bahn belebt den Fernmarkt und führt zu Alternativen für Kunden, nicht nur zur Deutschen Bahn, sondern primär – das war schon zu Locomore-Zeiten so – auch für eine Klientel, welche sonst gar nicht mit dem Zug gefahren wäre. Genau hier gibt es aber Hürden, da Bahn, Netz und Zulassungsbehörde alle miteinander über die DB verbunden sind und private Konkurrenz einem undurchsichtigen Dschungel an Interessensabhängigkeiten gegenüber stehen. Die Ampel hat vorerst keine Trennung von Netz und Bahn mehr angestrebt, was es für Flix mittelfristig nicht transparenter oder einfacher macht. Bleibt nun abzuwarten, ob ein anderer Hersteller Wagen zu so günstigen Konditionen wie Transwagonmash anbieten will. CRRC, der chinesische Staatskonzern, könnte zum Beispiel vielleicht Interesse haben. Die sind gerade eine Leasinggeschichte mit der erwähnten Westbahn eingegangen. Die Westbahn öffnet damit die Tür für die Chinesen nach Europa, sehr zum Unbehagen hiesiger Zughersteller. Investoren hat man jedenfalls an der Angel und im Zuge des europäischen Green Deals könnte es sich sehr auszahlen, dass Flix den Einstieg geschafft und die Hausaufgaben gemacht hat. Es gibt aber auch Misserfolge, so kamen die in Frankreich konkret geplanten Linien vorerst nicht zustande. Jetzt zählt der politische Wille, denn eine Monopolisierung wie beim Bus ist bei der Bahn kaum eine Gefahr. Der Eisenbahn steht jedenfalls eine goldene Ära bevor und Flixtrain wird, wenn nicht mit Frontalangriff, dann sicher trotzdem mit großem Messer ein Stück vom Kuchen abschneiden. Gut fürs Klima und die Preise. Und wenn es für alle nach oben geht, auch nicht unbedingt zum Nachteil anderer Eisenbahnunternehmen. Und was im komplizierten und fragmentierten Europa funktioniert, wird schlussendlich an vielen Orten dieser Welt klappen. The future is green.

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