Mai 2022 – weltweite Wetteranomalien und die Medienkrise

Weltweite Hitzewellen: Eine Jahrhunderthitze in Indien, extreme Temperaturen in Mexiko, 40 Grad zu viel in der Antarktis, Rekorde in Sibirien - und jetzt auch in Europa. Das 1,5 Grad-Ziel musste drastisch verkürzt werden. Alles innerhalb weniger Tage. Wenn einzelne Ereignisse zusammen zur globalen Katastrophe werden und die Medien einfach den Anfang zum Katastrophenfilm verpassen.

Madrid ist sich Hitze gewohnt. Ein Sprichwort sagt: “Nueve meses invierno y tres meses infierno” – Neun Monate Winter und drei Monate Inferno. So lässt sich das Klima der höchsten Hauptstadt Europas erklären. Dieses Jahr werden die Madrilenen so früh wie noch nie aufs etwas kühlere Land flüchten müssen, denn 36 Grad sind sehr viel für Mai.

Es gibt immer noch Menschen, die sagen, dass es schon immer Hitzewellen gab. Nun häufen sich aber die Ereignisse diesen Frühling zeitlich so gedrängt, dass es regelrecht zum Anfangsplot eines amerikanischen C-Katastrophenfilmes reichen würde. Die indische Hitzewelle haben viele zur Kenntnis genommen. Weit weg. Auch für die 40 Grad zu viel im vermeintlich ewigen Eis hatten viele nur ein Schulterzucken übrig. Was sagen Menschen in mexikanischen Provinzen dazu, die gerade Allzeitrekorde erleben? Was passiert, wenn jetzt wie in Sibirien Permafrost unumkehrbar auftaut und dabei unvorstellbare Mengen an Methan frei gesetzt werden und zumindest dieser Kipppunkt unmittelbar schon erreicht wird? In Spanien ist es traditionell heiß – zumindest im Hochsommer, wenn die deutschen Touristen Spanien erleben. Klar, auch Madrid ist im Mai schon ganz schön sommerlich angenehm. Aber jetzt sind 36 Grad und in Sevilla sogar 43 Grad vorausgesagt. Im Frühling! In Indien wüten derweil nach der tödlichen Hitze schreckliche Fluten im Nordosten des Landes. In Deutschland wird gerade vor unwetterartigen Gewittern, Starkniederschlägen und ebenfalls Rekordhitze gewarnt. Ist das alles Zufall? Natürlich nicht. Aber warum wird nur tröpfchenweise gemeldet und nicht multimedial verknüpft, erklärt und gewarnt? Was läuft schief in der Klimakommunikation?

Es brennt – aber es fehlt das mediale Lagerfeuer

All diese Ereignisse finden sich in den Nachrichten. Die Tagesschau hat dazu einen wertvollen Beitrag zur Psychologie der Gesellschaft in Sachen gesellschaftlicher Rezeption der Klimakrise gebracht, indem sie eine Neurowissenschaftlerin zum Thema interviewt haben. Die Essenz: Nur in den Raum gestellte Fakten der Wissenschaftler und teilnahmslose Meldungen zu Unwettern in anderen Weltregionen schrecken niemanden mehr auf. Ein breiter Konsens, eine kollektive Betroffenheit gibt es kaum. Der Schlüssel seien Emotionen. Erst wenn wir Emotionen mit dem nüchternen Problem verbinden, wird einigermaßen ein Gefühl für die Menschen daraus. Aber wenn Wissenschaftler Gefühle zeigen und in Panik ausbrechen, dann widerspricht das ihrer Natur wie Kultur und sie laufen Gefahr, sich selber zu untergraben. Rationalität, Nüchternheit und wissenschaftliche Korrektheit berühren aber Ursula und Dieter auf dem Sofa herzlich wenig. Wenn also nicht die Forschung den Kommunikations-Lead übernimmt, dann doch wenigstens die Medien?

Jein. Kurzmeldungen haben wenig Wirkung. Längere Abhandlungen nur in Spartensendungen erreichen auch nur ein interessiertes Spartenpublikum. Die Konkurrenz der Plattformen revolutioniert gerade den gesamten Medienkonsum im Lichtgeschwindigkeitstempo. Fernsehen wie Zeitungen röcheln nach Jahren der Austrocknung vor sich hin, Google und Facebook haben alle Werbegelder abgesaugt. Man macht also nur noch, was Quote bringt und gefällt. Heile Welt, Unterhaltung, Krieg – aber Klima nur am Rande, halt gerade so verpflichtend. Diese historische Konstellation lähmt den Diskurs, die Meinungsbildung und damit nicht zuletzt die Politik. Eine halbherzige Ampel hat sich nur zu weit unzureichenden Klimazielen durchringen können. Eine völlig neue Dreierkonstellation führt zu einer Pattsituation. Die FDP gegen alles – die Opposition ist nur noch an Zerstörung interessiert. Klar gelingt den Grünen gerade unglaubliches in NRW und es gibt zarte Zeichen eines Aufbruchs. Es könnte sogar werden bis zur nächsten Wahl. Nur die Zeit rennt plötzlich immer schneller davon. Die überalterte Gesellschaft wacht erst sehr langsam auf. Schuldzuweisungen, Angst um Privilegien oder gar vor Verantwortung für 50 Jahre klimaschädliche Wunderwirtschaft sind wichtiger als lösungsorientierte Hoffnung. Der völlig lethargische Kanzler nimmt seine Richtlinienkompetenz nicht wahr, ist mit sein oder nicht sein im Fall Ukraine absorbiert. Angesichts der Klimakatastrophe grenzt das schon an Amtsverweigerung. Dass sich diese Tage weltweit Hitzerekorde vor unseren Augen zu einem Muster einer gewaltigen Katastrophe zusammenfinden, ist genauso Randnotiz, wie das Ahrtal nach nur wenigen Wochen nach dem Ereignis.

Die Politik packt es nicht (rechtzeitig)

Mit der Einschätzung von Risiken läuft grundsätzlich etwas schief. Populistische Politik, die dem Wähler nur noch gefallen und Vorteile versprechen will, niemand mehr, der überzeugend sich den größten Ängsten der Menschen stellen will. Es wären Helden gefragt, charismatische Menschen wie Lisa Neubauer zum Beispiel. Sie hat bei Tilo Jung den Gang in die Politik nicht ganz ausgeschlossen und durch ihr mutiges Engagement hat sie für ihr Alter schon mehr erreicht als ein gewaltiger Teil der Boomer zusammen. Sie könnte sich von der Industrie kaufen lassen und noch ein paar schönte Tage bis zum Weltuntergang verbringen. Verscherbelt sie ihre Seele aber ganz den Erwartungen nach nicht, dann warten zwar NGO’s mit Handkuss – wirklich bewirken wird sie vor allem politisch etwas. Greta und Lisa sind aber zu jung für die deutsche Rentnermehrheit. Und da liegt die Krux: der Generationenkonflikt. Zugeben zu müssen, dass man an diesem Klimawahnsinn hauptverantwortlich ist und dass man Angst vor radikalen Änderungen hat, will niemand. Außer die sich auf Autobahnen klebende Klimajugend.

Es gibt zwar den Ansatz der Verschiebung des Stimmgewichtes mittels Veränderung der Wertung jeder einzelnen Stimme. Jüngere und mehr Betroffene vom Klima könnten mehr Stimmanteil bekommen pro abgegebene Stimme. Aber in einer Demokratie müsste dies eben eine Mehrheit wollen oder eine Regierung aggressiv beschließen. Da diese jüngst solche Beispiele bei der Masken- und Impfpflicht vollbrachte und auch das Bundesverfassungsgericht ein Recht auf Unversehrtheit künftiger Generationen festgehalten hat, stehen die Chancen für einen Wandel eigentlich gut. Europaweit legen die Grünen zu – Deutschland ist aber an einer ersten grünen Mehrheitsregierung so nahe wie kein anderes Land. Die Wirtschaft wird kommentarlos mitziehen. Ein paar alte weiße Vorstände und CEO’s, wie bei EON kürzlich, werden zwar noch jammern, aber im Osten geschehen bereits Wunder, es siedeln sich dank vorhandener grüner Energie Batteriefabriken, Elektroautobauer und Halbleitergiganten an und machen vor, dass konsequente Regulierung den Menschen und der Wirtschaft einen Rahmen geben würden, an den sie sich halten können. Aufbruch ist der Mut zur Rückgewinnung der Deutungshoheit. Weg vom neoliberalen Selbstbedienungsladen zu mehr sozialer Gemeinschaft.

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Warnhinweis:

Hitzewellen sind auch eine Folge der Klimakrise. Um eine unaufhaltsame Erhitzung der Erde abzuwenden, müssen wir schnellstmöglich von Kohle, Öl & Gas auf Erneuerbare umsteigen.

Warum ein Warhnhinweis? Redaktionelle Verantwortung ist wichtig. Die Klimakatastrophe sollte immer bei ihrem Namen genannt und der Zusammenhang mit ihr klar aufgezeigt werden. Die Inspiration zu dieser Praxis geht auf die Klimaaktivistin Luisa Neubauer zurück, die dies in einem Tweet gefordert hatte.

Fazit?

Das Wetter spielt verrückt, simultan und weltweit – jetzt und auch hier. Die neue Normalität gibt nicht nur einen Vorgeschmack, sondern ihren definitiven Einstand. Wird der Klimawandel schneller, müssen wir auch als Demokratie, Gesellschaft und Menschheit schneller werden. In den Boomjahren hatte man damit erstaunlicherweise keine Schwierigkeiten. Man hat alles platt betoniert und dem allheiligen, technoiden Zukunftsstreben geopfert. Atomkraftwerke, Autobahnen, Plattenbauten, Chemiewahnsinn – alles kein Problem, solange man davon ans Meer fahren, sich ein Auto kaufen oder für ein Häuschen verschulden durfte. Man ist süchtig danach geworden und plötzlich sehr langsam. Digitalausbau, Energie- oder Verkehrswende, soziale Marktwirtschaft, Rentenreformation… Nichts mehr kriegt man auf die Reihe. Infrastruktur verfällt, Einigkeit verfällt, Konsens verfällt und nie wäre es so wichtig gewesen eine Vision zu haben. Stadtmessen hat man das Gegenteil zum Kanzler gemacht und quält sich 4 Jahre durch. Es wäre auszuhalten, wenn da nicht die Kipppunkte und die tickende Uhr der Klimakatastrophe wären. Es ist etwas in Bewegung gekommen, aber ob sich genug bewegt, sollte man nicht bis zur Gewissheit abwarten wollen. Wenn wir es wissen, könnte es zu spät sein. Ich krame jedenfalls schonmal den Ventilator vom Dachboden – oder wegen der Strompreise und der Renaissance der Kohle doch nur den Stofffächer?

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