Wie der Klimawandel die Biodiversität verändert – und was wir tun können

Viele Arten sind bedroht durch die globale Erwärmung. Was Schmetterlinge damit zu tun haben und wie wir die sehr besorgniserregende Entwicklung aufhalten können, jetzt im Klimablog-Sommerpicknick auf der Biodiversitäts-Blumenwiese.

Schmetterlinge reagieren besonders sensibel auf Klimaveränderungen – auch in Deutschland. Credits photo: rawpixel.com on Freepik

Der Fahrtwind, die Weite, der Sommer. Das Fahrrad schnell an den schattigen Baum gelehnt und da drüben die rot-weiß-karierte Picknickdecke ausgebreitet. Es duftet nach frisch geschnittenem Gras, das Stoppelfeld ist gelb und der Himmel blau. Die hohen Cumuluswolken könnten vielleicht am Abend zu einem Gewitter werden. Es summt und brummt, es zirpt und flattert. Leicht ist der Sommer. Und heiß. Heißer als andere, zu heiß für viele. So geht es nicht nur uns, dem Wetter und dem Planeten, nein, so geht es vielen anderen Kreaturen auch. Und “viele” täuscht dabei darüber hinweg, dass es immer weniger werden. Die Aussterberate ist bereits zehn bis hundertmal höher als im Durchschnitt der vergangenen 10 Millionen Jahre. Das sagt die zwischenstaatliche Plattform für Biodiversität und Ökosystemdienstleistungen (IPBES). IPBES schätzt, dass von 8 Millionen existierenden Tier- und Pflanzen-Arten bereits eine Million vom Aussterben bedroht ist. Warum passiert das? Was können wir tun? Gibt es noch Hoffnung?

Es ist monumental, komplex und bedrohlich

Es gibt 128.918 erfassten Arten. 35.500 davon sind bedroht. Manche unmittelbar, andere mittelfristig, viele langfristig auch. Das ist das größte Artensterben seit dem Aussterben der Dinosaurier vor 65 Millionen Jahren. Das Zusammenwirken in unserem globalen Ökosystem haben wir bis jetzt erst in Ansätzen begriffen. Können wir also sagen, dass das große, jetzt stattfindende Artensterben mit dem Klimawandel zu tun hat? Es hat nicht nur, aber auch, mit der stattfindenden Klimakatastrophe zu tun. Durch Landwirtschaft, Raubbau, Versiegelung, Vergiftung und viele andere schädliche Einflüsse des Menschen drängen wir viele Arten zurück, wir verändern oder zerstören ihren natürlichen Lebensraum. Praktisch alle diese Prozesse haben direkt mit der Industrialisierung, Globalisierung und Mechanismen zu tun, die CO2 ausstoßen. Indirekt hat unsere Zerstörung des Klimas so auch immer Wirkung auf die Artenvielfalt. Aber auch direkt durch den Klimawandel sind Tiere wie Pflanzen bedroht. Und bei weitem nicht alle können sich überhaupt oder schnell genug an die Temperaturen oder ein sich veränderndes Nahrungsangebot anpassen. Viele Arten sind auch in vielen Aspekten gegenseitig voneinander abhängig. Zum Beispiel die Murmeltiere in den Alpen, über die der Klimablog kürzlich berichtete.

Tagpfauenauge – fotografiert in Brandenburg.

Ein Beispiel sind Schmetterlinge. Das Tagpfauenauge im Bild oben ist ein einheimischer Falter. Er mag die Wärme sogar. Hat er früher in unseren Breitengraden nur eine Generation pro Jahr hervorgebracht, sind es seit einiger Zeit nun stabil zwei. Aber der Lebensraum von Schmetterlingen verschiebt sich mit der Erwärmung territorial nach Norden. Das Forschungsprojekt Tagfaltermonitoring hat in 1,5 Millionen Beobachtungsstunden erstmals nachweisen können, wie sich Artengemeinschaften von Tagfaltern und Vögeln verschieben. Im statistischen Mittel haben sich Lebensräume zwischen 135 Kilometer bei Schmetterlingen und 212 Kilometer bei Vögeln nach Norden verschoben. Schmetterlinge können sich zwar etwas schneller anpassen, da ihre Reproduktionszyklen – wie bei Insekten allgemein – kürzer sind. Doch sie hinken trotzdem der Klimaerwärmung hinterher. Das Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung, UFZ, hat zum Beispiel drei Szenarien durchgerechnet. Beim schlimmsten wird angenommen, dass die Durchschnittstemperatur in Europa bis 2080 um 4,1°C ansteigt. Dann könnten über 50 Prozent der derzeit geeigneten Lebensräume für 230 der 294 untersuchten Schmetterlingsarten zu warm oder zu trocken sein, um zu überleben. Beim optimistischsten Szenario würden noch 36 Prozent der Arten über die Hälfte ihres Areals verlieren, während nur knapp 18 Prozent davon profitierten. Also so oder so hat der Klimawandel einen großen Anteil am Artensterben und die Konsequenzen sind fatal.

Die Art und Weise, wie Schmetterlinge betroffen sind, liefert gute Anhaltspunkte darüber, wie auch viele andere Insekten reagieren dürften.

Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung

Wie trifft uns das?

Der Mensch ist auf Gedeih und Verderb von funktionierenden Ökosystemen abhängig. Verändert sich das Gleichgewicht dieser, hat das auch Auswirkungen auf uns. Nahrungsmittelproduktion, Medizin, sauberes Wasser und genießbare Luft sind nur einige Bereiche, die gestört werden können, wenn sich die Artenvielfalt verändert. Schädlinge können sich vermehren, Nützlinge unter Umständen leiden. Beim Bienensterben merken wir sehr direkt und drastisch, welche Konsequenzen die Veränderungen der Artenvielfalt auf uns Menschen haben kann. Die Bestäubung von Agrarpflanzen bringt weltweit einen ökonomischen Nutzen von etwa 150 bis 300 Milliarden Euro pro Jahr. Dabei geht es nicht nur um Wirtschaft, sondern direkt auch um Hunger, Armut und das nackte Überleben. Auch unsere Gesundheit kann leiden. Die Pollensaison verlängert sich markant bzw. Menschen sind mit Pollen konfrontiert, die es vorher in ihrer Region nicht gab. Fremde Insektenarten wie die Tigermücke bringen heute schon gefährliche Krankheiten nach Deutschland. Regionen wie der Norden des Landes sind plötzlich mit gefährlich infizierten Zecken konfrontiert – und zwar viel schneller als erwartet. Natürliche Fressfeinde können durch das Artensterben wegfallen und damit anderen Arten ermöglichen, sich rasant zu verbreiten.

“Das Artensterben gilt neben der Klimakrise als die größte Bedrohung für unseren Planeten und unser eigenes Leben.”

WWF Deutschland

Natürlich trifft es nicht nur Tiere. Auch Pflanzen sind betroffen. Manchen wird es zu heiß, für andere verändert sich das Nährstoffangebot und so weiter. In Deutschland haben zum Beispiel Fichten immer mehr Mühe, Walnussbäume hingegen profitieren. Wälder müssen als Anpassungsstrategie umgebaut werden, um dem Klima zu trotzen. Das dauert aber Jahrzehnte. Mehr Baumarten, mehr und langsam wachsende Laubbäume machen Wälder widerstandsfähiger, aber der Ertrag von Nutzwäldern kann als Ergebnis der Bemühungen sinken. Die Liste an möglichen Beispielen ist unglaublich viel länger, als es dieser Beitrag gerade erlaubt.

Was wird morgen sein? Oder besser, wer und wie viel wird morgen noch sein? Es geht um alles oder nichts. Credits photo: wirestock on Freepik

Was können wir tun?

Abgesehen von der gerade erwähnten Anpassung hilft vor allem eine Maßnahme: die Ursache bekämpfen, nicht nur die Symptome. Und das ist, radikal den CO2-Ausstoß global zu senken. Es geht dabei nicht nur um die Temperatur, denn eine intakte Biosphäre als Gesamtes sorgt auch für einen funktionierenden Kohlenstoffkreislauf, der Kohlendioxid zusätzlich wieder aus der Atmosphäre entfernt. Sie verteilt auch lebenswichtige Nährstoffe wie Stickstoff und Phosphor und hat damit erheblichen Einfluss auf die Artenvielfalt. Natürlich gibt es auch weitere Möglichkeiten: „Es gibt immer mehr Belege dafür, dass die Schaffung neuer und der Erhalt bestehender Schutzgebiete an Land und im Meer dazu beitragen, den Klimawandel durch die Bindung und Speicherung von Kohlenstoff abzumildern“, sagt der Biodiversitätsforscher Josef Settele vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung. Hans-Otto Pörtner, Klimaforscher am Alfred-Wegener-Institut, für Polar- und Meeresforschung (AWI) meint dazu passend: „Das Klimaproblem wird mittlerweile schon verstanden. Allerdings wird das Biodiversitätsproblem als ein komplett separates Problem behandelt – auch, wenn es um Lösungsansätze geht. Dazu kommt das Risiko, dass die Natur als Vehikel diskutiert wird, um die Klimaproblematik zu lösen, was sehr problematisch ist. Die Fähigkeit der Ökosysteme, den Klimawandel zu bremsen, wird dabei überschätzt, zudem beschädigt der Klimawandel diese Fähigkeit“. Wir müssen also den Artenschutz und die Klimaerwärmung gemeinsam denken. Diese Vernetzung ist Aufgabe von Forschern, aber auch Politikern, welche zum Beispiel auch langfristige Forschung fördern und nicht wie die FDP jüngst die Gelder dafür zusammenstreichen, um den Fokus vor allem auf kurzfristige, sofort profitbringende Ergebnisse zu lenken.

Die gute Nachricht

Umwelt schützen, forschen, handeln und vor allem Treibhausgase senken. Können wir das schaffen? Ja, wir können, bzw. wir könnten! Das sagt eine neue Studie der Universität Stanford. Die geht davon aus, dass ein Umbau unserer Energieversorgung mit vorhandenen Technologien wie Solar und Wind möglich ist, um damit eine markante Reduktion des CO2-Ausstoßes zu erreichen. Der Zeitrahmen ist dafür allerdings eng. Bis 2035 müssten wir idealerweise den Umbau auf Erneuerbare weitgehend geschafft und aus fossilen Brennstoffen ausgestiegen sein. Garantiert jedoch bis 2050. Und nur, wenn bis 2030 80 % davon bereits erreicht ist. Das bedingt ganz gewaltige Umwälzungen – macht aber auch Hoffnung. Es ist noch nicht zu spät! Die Studie beleuchtete 139 der 195 Länder dieser Welt. Hoffnung ist gut, aber es funktioniert nur, wenn wir sofort und radikal handeln. Nicht zaghaft, nicht mit Rücksicht auf Profite. Dazu ist eine bestimmte Politik notwendig, die nicht die berücksichtigt, welche am lautesten schreien, sondern durch rigorosen Handlungsfortschritt alle mitnimmt. Das gelingt nur mit einem guten Dialog. Ganz konkret: mehr Habeck-Pragmatismus.

Wir haben es in der Hand. Beim Kleinen im Alltag, aber auch beim Großen in unserer Demokratie. Verlangen wir von der Politik, was uns und unseren Kindern zusteht. Fertig mit Rücksicht auf reiche Kapitalisten. Credits photo: freepiks

Fazit

Wir haben zu lange taggeträumt. Jetzt wachen wir auf und die Welt ist ein Albtraum. Das Surren des Sportflugzeuges über unserem feinen Picknick am Himmel über den Feldern lässt uns ahnen, dass wir uns keine Politiker mehr wie Merz leisten können, die ihre Privatjets damit dummdreist rechtfertigen, dass sie weniger verbrauchen würden, als die gepanzerte Kanzlerlimousine. Eine Generation will nicht einsehen, dass sie nach billiger fossiler Energie süchtig ist und bewegt sich darum auch kaum. In drei Jahren wählen wir wieder. Bis dahin können wir vor allem selber viel tun. Muss die Picknickdecke, auf der wir gerade sitzen, aus Nylon sein und Mikroplastik verursachen? Tut es bei einem (sowieso immer) Schönwetterpicknick nicht ein natürlicheres, dafür halt nicht ultimativ hochwasserresitentes Material wie ein Baumwolltuch? Was ist mit dem Sommerkleid, kann das nicht auch aus luftig kühlender Leine sein? Zwar teurer, aber dafür nachhaltig. Halt nicht jede Saison was Neues, sondern ein Lieblingsteil für viele schöne Sommertage? Muss diese Avocado mit in den Picknickkorb – und vor allem in Plastikgeschirr? Alte Schraubgläser tun es doch auch. Die Mango war auch verlockend, aber heimische Beeren wären heute genauso lecker gewesen. Und ohne diesen Gift sprühende Trecker da hinten am Horizont. Die Fahrt hierher war zwar schon mit dem Fahrrad, aber viele Menschen fahren wie meine Eltern, als ich Radfahren lernte, mit dem Fahrrad im Kofferraum aus dem Ort bis aufs Land. Das geht auch mit der Bahn oder eben ganz mit dem Rad. Und diese schöne Idylle hier ist näher betrachtet eigentlich auch nur traurige Monokultur mit dem minimalen, gesetzlich gerade so erzwungenen Biodiverstitässtreifen am Rand des Ackers. Immerhin. Und wenn ich das nicht alles haben kann? Dann sind wir immer noch eine Demokratie! Verlangen wir von den Lindners dieser Welt, dass sie aufhören, ihrer Klientel Steuern zu ersparen und kippen wir die alles zerfressende schwarze Null. Genau jetzt ist die Zeit, die Welt zu retten – morgen nicht mehr. Was wünschen sich unsere Enkel? Ein ausgeglichenes Budget und Bestnoten der neoliberalen Ratingagenturen oder wollen sie eine noch halbwegs bewohnbare Welt? Weg mit der Schuldenbremse, weg mit den politischen Bremsklötzen! Wir haben nur diese eine Chance, und zwar nur genau jetzt. Das Zeitfenster schließt sich. Die Zukunft ist jetzt.

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