Klimaziele quo vadis? Was sagt der Expertenrat dazu?

Trommelwirbel. Haben wir unsere Klimaziele eingehalten? Der Klimarat der Bundesregierung hat eine gute und eine schlechte Nachricht für die Bürger in Deutschland. Und warum es mit der neuen Regierung für uns alle sehr teuer werden könnte.

Wer ist dieser Klimarat überhaupt und was ist seine Aufgabe? Wo stehen wir und wie geht es weiter? Für wen hat das Konsequenzen? Schauen wir auf diese wichtige Stimme und welche Zukunft uns prophezeit wird. Der Bericht zu den Klimazielen ist ganze 295 Seiten stark. Hier die Zusammenfassung und Einordnung in Kürze:

Wer, wie, was?

Wenn du schon mit Klimazielen vertraut bist, kannst du direkt zum nächsten Absatz weiterspringen. Für alle anderen: das Klimaproblem geht nicht weg. Auch wenn viele Menschen und die Medien gerade mit anderem abgelenkt sind. Die weltweite Wissenschaft (IPCC – Klimaberichte) berät die globale Politik (COP – Klimakonferenzen) und diese verhandelt dann an einem Tisch mit allen Ländern dieser Erde, was zu tun ist. Um das Überleben des Planeten zu organisieren, hat man sich 2015 in Paris verbindliche Ziele gesetzt. Mittels Staatsverträge sind auch wir in Deutschland daran gebunden. Unsere Regierung hat somit die Aufgabe, diese umzusetzen. Deutschland hat sich das eigene Ziel gesetzt, 2045 klimaneutral zu sein. Spätestens 2050 muss das weltweit klappen. Das sind nur noch 25 Jahre.

Die Bundesregierung wiederum wird regelmäßig kontrolliert, ob die Ziele eingehalten werden und wo wir gerade stehen. Das macht der Expertenrat für Klimafragen. Dieser besteht aus fünf verantwortlichen Sachverständigen und einem größeren Team hinter ihnen. Die Grundlage dafür ist das Klimaschutzgesetz von 2020. Das Umweltbundesamt erhebt als Behörde die nötigen Daten, welche dann der Klimarat prüft. Das macht er alle zwei Jahre und berichtet dann an die Regierung. Heute war es wieder so weit, und die Ergebnisse dieser Prüfung wurden in einem öffentlich für alle zugänglichen Bericht vorgestellt.

Darin wird die Frage beantwortet, ob wir auf dem richtigen Weg sind, und wie die nähere Zukunft aussieht. Dafür werden Projektionen vorgenommen, welche die Wirkung der von der aktuellen Politik angedachten Instrumente und Maßnahmen versucht vorherzusagen. Das ist aber hochkomplex. Wenn zweimal hintereinander das Ziel verfehlt wird, muss die Regierung unverzüglich ein Sofortmaßnahmenprogramm umsetzen, welche die Abweichung wieder korrigiert. Jedes verfehlte Ziel hat auch zur Folge, dass es im Zeitraum danach zusätzlich kompensiert werden muss.

Gute Nachricht

Nun zu den Ergebnissen. Ja, wir erreichen die aktuellen Ziele! Alles gut, Beitrag fertig und auf einem Regenbogen ab in den Sonnenuntergang. Natürlich ist es nicht so einfach, sondern eher komplex. Und Unheil naht. Die Ziele wurden eigentlich nur knapp erreicht. Zuerst wurden diese ab 2020 in Sektoren gemessen – also Verkehr, Industrie, Gebäude usw. Dann wurden die Sektorenziele 2024 bereits wieder durch sektorenübergreifende Ziele ersetzt. Das lag vor allem daran, dass sich gewisse Parteien mit ihren Ministerien in der Ampel besonders angestellt haben (pssst, Volker Wissing und Verkehr und so…). Wenn einzelne Ziele nicht erreicht werden, können sie nicht mit anderen aus den anderen Sektoren kompensiert werden und die einzelnen Ergebnisse können auch eingeklagt werden bei Nichteinhaltung und auch jedes betroffene Ministerium musste beim Nichterreichen eben ein Sofortprogramm liefern. Jetzt ist das mit einem großen Topf für alle anders. Alle Sektoren werden zusammengerechnet. Einzelne können also stark von den definierten Zielen abweichen. Und genau das sieht man jetzt im neuen Bericht.

Grafik: Bericht Expertenrat für Klimafragen zu den Klimazielen 2025. LULUCF sind übrigens menschgemachte Emissionen aus Land- und Waldnutzung.

Schlechte Nachricht

Während das damals der Zubau-Boom bei Erneuerbaren am allermeisten Emissionen einsparte, folgt danach mit Abstand die Industrie. Diese hat aber nicht besonders klimafreundlich gewirtschaftet, sondern einfach weniger. Die Wirtschaftsflaute hat zu einer Reduktion in der Rechnung geführt. Bei den Gebäuden sieht es dagegen nicht gut aus. Die große Verunsicherung durch die enorme Medienkampagne gegen das Gebäudeenergiegesetz und der ebenfalls daran anschließende Wahlkampf der CDU haben große Schäden angerichtet. Am meisten verfehlt hat die Ziele der Verkehrssektor – namentlich der Autoverkehr. Und daran ist die FDP zu großen Teilen schuld. Totalverweigerung bei auch nur der kleinsten Maßnahme, die goldene Kuh Autoindustrie durfte nicht angefasst werden. Das ist auch in der neuen Regierung so. Pendlerpauschale rauf, kein Tempolimit, weiter Dienstwagenprivileg, freie Fahrt für die, welche es sich leisten können. Am selben Tag, an welchem die Zahlen vom Expertenrat präsentiert wurden, also heute, hat die CDU in Berlin alle Kiezblocks ab sofort abgewürgt – das sind verkehrsberuhigende Maßnahmen in Wohnquartieren. Und das ist das Ende einer langen Liste: öffentliches Radleihsystem abgeschafft, Radwege gestoppt, Radschnellwege gestrichen, Gelder für Nahverkehr gestrichen (der ist in die schlimmste Krise seit Gedenken gerutscht), Tempo 30 ebenso. Obwohl im Wahlkampf vor 2 Jahren gesäuselt wurde, man werde so viele Radwege, wie noch keine Regierung zuvor bauen. Einfach glatt gelogen. Das lokale Beispiel steht stellvertretend für viele andere Versprechen, die populistisch gegeben und dann einfach beerdigt wurden. Passiert das nun auch auf Bundesebene? Und damit kommen wir zur schlechten Nachricht:

Der differenzierte Blick

Der Bericht ermittelte, ob das Zwischenziel 2030 erreicht werden kann. Das finale Ziel für Deutschland ist aber 2045. Und da sagen die Experten, dass es hinten und vorne nicht reichen wird. Dafür gibt es eine Reihe von Gründen. Erstens: die Coronaflaute ist nicht mehr und wenn die Wirtschaft wieder besser laufen sollte, ist auch dieser fürs Klima positive Effekt einer Wirtschaftskrise weg. Zweitens: die neue Regierung will die Politik stark verändern und die Maßnahmen, welche im Koalitionsvertrag definiert wurden, werden insgesamt nicht zu einer Verbesserung, sondern eher zu einer Verschlechterung führen. Verklausuliert hört sich das im Bericht so an:

„In der Summe geht der Expertenrat davon aus, dass von den Ankündigungen im Koalitionsvertrag je nach Ausgestaltung kein signifikanter bis leicht emissionssteigernd wirkender Effekt auf die hier getroffene Feststellung zu den Projektionsdaten 2025 ausgeht. Damit ist die Feststellung verbunden, dass vom Koalitionsvertrag kein nennenswerter positiver Impuls für die Zielerreichung im Jahr 2030 ausgeht.“

Übersetzt heißt das, die neue Koalition hat keinen Plan, die Maßnahmen werden hinten und vorne nicht reichen und schon gar nicht wie benötigt drastisch sinken. Drittens: Die Energiekrise, ausgelöst durch den Ukrainekrieg, hat kurzfristig zu einer gesellschaftlichen Akzeptanz von Gegenmaßnahmen geführt, namentlich dem starken Zubau von Erneurbaren. Nach jahrelangem Abwürgen durch die GroKo (Altmaier-Knick) sind Wind und Solar quasi explodiert. Irgendwann sind aber diese tief hängenden Früchte fertig gepflückt. Eigentlich schon sofort, denn die neue Regierung will vor allem auf Gaskraftwerke setzen und den Ausbau der Erneuerbaren „prüfen und anpassen“. Beim Verkehrssektor wird die Operation je schwieriger, desto länger wir damit warten. Denn in der Schlussphase kurz vor 2045 reicht die Zeit nicht mehr, die komplexen Probleme anzugehen.

Das hat nicht nur erst dann sowie fürs Weltklima (und damit für Menschenleben) Konsequenzen, sondern die nun geplante Trödelei zugunsten von Profiten wird schon mittelfristig hohe Kosten für uns alle bedeuten. Einerseits, weil ab 2027 dann ungebremst der Emissionshandel der EU einsetzt und Treibstoff rasant teurer wird. Andererseits, weil auf EU-Ebene sehr wohl noch die Sektoren einzeln abgerechnet werden. Wenn wir diese Ziele nicht erreichen, muss Deutschland ausgleichende Zertifikate im europäischen Emissionshandel kaufen. Und die könnten dann schon knapp werden, was sie umso teurer macht. Der Steuerzahler muss also jetzt für Subventionsgeschenke an die Autoindustrie aufkommen, dann für geplante Steuersenkungen für die Industrie (also auch Autokonzerne) und dann nochmal für den Schaden von Strafzahlungen über Klimaschäden und immer teureren Klimaanpassungsmaßnahmen sowie kurzfristigen und damit teureren Notoperationen für Sofortprogramme beim Klimaschutzgesetz.

Der Markt regelt gar nichts, wenn die Regierung mit unserem Geld die eigenen Fehler schön kauft, wenn es schon zu spät ist. Das Geld könnte man viel besser jetzt rechtzeitig in Investition im eigenen Land in Klimschutzmaßnahmen investieren, was auch die Expertise dazu im Land aufbauen und halten würde. Und schlussendlich Viertens: ursprünglich wurde in der Rechnung für die Klimaziele der Wald als CO-Senke einberechnet, also als natürlicher CO2-Speicher. Doch nach jahrzehntelanger schlechter Bewirtschaftung und eben auch immer mehr dem Klimawandel ist der Wald in einem sehr schlechten Zustand. Nur jeder fünfte Baum ist gesund. Aufgefallen ist das bei der großen Waldinventur letztes Jahr. Auch hier ein lokales Beispiel: die CDU hat in Berlin den von der vorhergehenden Regierung angefangenen und auf 50 Jahre geplanten klimafreundlichen Waldumbau gestoppt und aufgegeben.

Abgestorbene Fichten am Brocken im Harz. Bild: Hajotthu, Wikimedia Commons

Der heiße Brei

Ebenfalls heute hat der neue Umweltminister Carsten Schneider der SPD seine erste Rede gehalten. Darin lavierte er durchaus engagiert für die Umwelt rum. Klimaschutz hingegen will er mit Sozialem und Wirtschaft verbinden, erklärte aber nicht konkret wie. Er sprach zwar von Rückverteilung der CO2-Einnahmen, aber die Koalition hat explizit auf ein Klimageld (direkte Auszahlung an die Bürger) verzichtet und im Koalitionsvertrag steht, dass das vor allem an Menschen gehen soll, die es nicht brauchen. Schneider bedankte sich vor allem bei der Vorgängerregierung fürs gemachte Nest und erwähnte die 100 Millionen aus dem Sondervermögen, welche vor allem dem Klimaschutz zugute kommen sollen – musste dann aber schon fast widerwillig zugeben, dass das die Grünen nach den Wahlen so verhandelt haben. Er bedankt sich auch bei Habeck, dass es vor allem sein Verdienst sei, dass die Klimaziele jetzt noch erreicht wurden. Zu den gerade für ihn besonders wichtigen Ergebnissen des Experten sagt er nur wenig und überließ das weiteren Diskussionen im Parlament heute – und damit anderen. Zum Schluss meinte er, die Einhaltung der künftigen Klimaziele sei schwierig, aber wichtig. Wie wir das schaffen, hat er nicht verraten – was aber eigentlich seine Kernaufgabe wäre. Schlechter Start.

Währenddessen nutzte die unsägliche und jetzt doppelt so große Partei jede Gelegenheit an diesem Tag, den Klimawandel im Parlament zu verleugnen – in eigenen Reden und sogar in den Reden anderer Parteien. Und das während gerade auf Italien ein Zyklon zusteuert, in den USA der Wald brennt und auf allen Kontinenten Fluten, Hitzewellen und extreme Hagelstürme wüten. Kurz darauf wurde übrigens ein Mitglied der Linken des Saales verwiesen – weil er einen Franzosenhut trägt. Für offene Klimaleugnung, welche das Leid von Millionen verleumdet, passiert das nicht. Die Shitshow geht einfach weiter.

Klare Worte

Viel klarere Worte fand die Expertin Claudia Kemfert, ihres Zeichens Leiterin der Abteilung Energie, Verkehr und Umwelt am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) sowie Professorin an der Leuphana Universität Lüneburg, vor knapp zwei Wochen. Sie sagte gegenüber der Tagesschau, die Regierung rechne sich ein Stück weit die Lage schön, weil sie auf die Projektionsberichte vertraue, die aber eben auf der aktuellen Lage fußen, welche durch die Krisen verzerrt wurde. Selbst der Klimarat selber „weißt auf die hohe Unsicherheit der vorläufigen Datenbasis hin, die sich aus dem frühen Berechnungszeitpunkt ergibt“. Kemfert sagt weiter, dass offensichtlich in Kauf genommen werde, dass die EU-Ziele verfehlt und damit Strafzahlungen fällig würden. Das ist übrigens nicht nur bei den Klimazielen so, sondern auch bei der Luftreinhalteverordnung – also den Abgasen im Autoverkehr, deren Senkung die EU klar vorgibt. Für den Mythos Auto zahlen wir uns also alle dumm und dämlich. Die Gesundheitsschäden kommen noch obendrauf.

Fazit

Da die letzte Regierung zerbrach, gibts auch keine Grund für Sektorenkompromisse wegen der FDP mehr. Doch die neue Koalition macht kein Anstalten, zum ursprünglichen System zurückzukehren. Die jetzigen Ziele sind nur knapp erreicht worden. Einzelne Sektoren weichen stark vom Ideal ab. Energiekrise, Corona und Wirtschaftsflaute haben das begünstigt. Fallen diese Effekte weg, dann wird es sehr schwierig, zumal die neue Regierung im Koalitionsvertrag bei Klimamaßnahmen sehr vage bleibt und insgesamt viel zu wenig davon vorgesehen sind. Der Markt wird es alleine nicht Regeln – genau darauf vertraut aber der Kanzler und er findet bekanntlicherweise ja Klima in der Politik überbewertet. Er selber wird die Folgen von diesem kurzsichtigen und egoistischen Denken nicht mehr erleben. Die versprochenen Wirtschaftswunder auf Pump sind ein politisches Roulettespiel, die dafür vernachlässigten Klimamaßnahmen kosten aber garantiert. Die CDU/CSU hat immer betont, sie wolle keine Schulden machen – was sie schlussendlich trotzdem musste. Sie wird es erneut müssen, wenn sie jetzt den Klimaschutz kaputt spart. Wir zahlen alle doppelt und dreifach, einfach nur dafür, dass kurzfristig der schnelle Taler bei wenigen Reichen landet. Es wäre viel ökonomischer, jetzt die Schuldenbremse ganz zu kippen – 500 Milliarden werden nirgends hin reichen. Als Vergleich: alleine die Feuer in Los Angeles im Januar haben dort 250 Milliarden Wirtschaftsschäden angerichtet. Wir haben nur eine einzige Chance mit dem Klima, das sollte uns wirklich alles Wert sein. Klotzen statt sülzen. Klima statt Autos retten.

Erscheinungsdatum: 15. Mai 2025

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