CO2-frei Ski fahren – Greenwashing im Luxusrefugium?

Der Luxusskiort St. Moritz kündigt an, dass dort CO2-neutral Ski gefahren werden kann. Klingt erstmal gut. Doch was steckt dahinter? Warum hat ein Erdölgigant seine Finger im Spiel und warum geht die Rechnung nirgends so schlecht auf wie im Refugium für Superreiche? Eine Reise in höhere Sphären.

Pittoreskes Ghetto der Superreichen? Ein indischer Erdölmagnat feierte hier kürzlich für 100 Millionen seine Hochzeit.

Mindestens 185 Millionen ist die Villa wert. Der Palast mit 5600 Quadratmetern am vielleicht exklusivsten Hang der Welt ist eines der teuersten Luxusimmobilien auf diesem Planeten. Er stand kürzlich zum Verkauf. In der Nachbarschaft gibt es nichts unter 30 Millionen zu kaufen. Die Wände sind anstelle von Tapeten mit Nerz und Kaschmirwolle besetzt. Der Prunkbau steht symbolisch für eine Elite, die sich hier jährlich im Rahmen des Kalenders der Superreichen trifft. Dieser regelt inoffiziell den Jahresablauf eines exklusiven Zirkels von Machtmenschen. Aspen, St. Tropez, Cannes und eben St. Moritz sind unter einigen anderen Destination ein Muss. Dabei geht es nicht nur darum, dass Scheiche, Königshäuser, neureiche Wirtschaftsmagnaten und Oligarchen hier Urlaub machen, ihr Geld anlegen oder sich der Nachwuchs von Prada und Gucci gemeinsam verquickt, sondern hier werden auch Geschäfte gemacht und Entscheidungen getroffen. Der Ort wirbt nicht nur wegen seiner Höhenlage mit dem Claim “Top of the World”, welcher die erste geschützte Tourismusmarke der Welt war, sondern weil hier das Top der reichsten Menschen auf dieses Planeten verkehrt. Während Corona ist die Nachfrage nach Luxusimmobilien in der Schweiz, speziell in den Bergen, kräftig angestiegen. Die Reichen sind durch die Krise bekanntlich noch viel reicher geworden und wollten ihr Geld in einen sicheren Hafen bringen. Einheimische können sich ihr Paradies schon lange nicht mehr leisten, seit der Krise ist die Wohnungsnot für Arbeiter im Ort extrem akut geworden, manche stehen plötzlich auf der Straße, weil ihre Mietshäuser jetzt umgebaut werden. Viele pendeln mittlerweile weite Strecken zu ihrer Arbeit in den Hotels, Chalets und Gourmettempeln. Wird das jetzt ein Beitrag über Futterneid? Mitnichten. Es geht um Greenwashing, das war nur der Rahmen fürs Verständnis.

Ob Menschen, die sich sowas leisten können, überhaupt für das CO2 von Pistenraupen interessieren? Wer 33’000 Euro pro Quadratmeter bezahlen kann, könnte sich locker mehr als nur die Kompensation seiner Schäden leisten – aber niemand zwingt solche Extremverursacher dazu. Wir als Bürger müssen für diese Klimaschäden haften und die Folgen treffen vor allem die Armen dieser Welt.

CO2-neutral Skifahren?

Die örtlichen Bergbahnen haben nämlich vermeldet, dass nun bei ihnen CO2-neutral Ski gefahren werden könne. Die Lifte auf der einen Talseite gehören mehr oder weniger der Reedereifamilie Niarchos, ihres Zeichens Multimilliardäre und damals schon Gründungsmitglieder bei der Erschließung des Berges, auf welchem ein paar Jahrzehnte noch Sommerski gefahren werden konnte, bevor der Gletscher zu sehr wegtaute. Auch besitzt die Familie 5-Sternehotels am Ort. Das gegenüberliegende Skigebiet befindet sich in etwas breiterem Streubesitz, unter anderem ist auch die Gemeinde St. Moritz beteiligt. Zusammen formen sie den Tarifverbund, der jetzt die Sensation verkündete. Doch wie soll das gehen? Die Lösung liege in einem speziellen Treibstoff namens GTL-Fuel von Shell, der vor allem für die 36 Pistenmaschinen, alle Baumaschinen sowie 65 Dienstfahrzeuge benutzt wird. Auch für Heizöl hat Shell ein passendes Produkt namens GTL Heating im Angebot, um die exklusiven Berghütten zu heizen. GTL (Gas to Liquids) soll sauberer verbrennen. Das ist nett für die lokalen Emissionen, doch aus was wird es denn gemacht? Nein, es sind nicht Pflanzen, es ist schlicht aus fossilem Erdgas hergestellt, also überhaupt nicht CO2-neutral. Doch Shell hat dafür gleich im eigenen Hause Lösungen parat, denn das Unternehmen hat sich reichliche Kompetenzen angeeignet rund um CO2-Kompensationen. Diese werden nun den Bergbahnen im abgelegenen Tal der oberen Zehntausend gleich mitverkauft.

Über den Dingen stehen – Top of the World. Hier wird Natur und Lifestyle verkauft.

Ausgerechnet ein Erdölkonzern

Shell und Klima, da klingelt es doch gleich. Der Konzern war kürzlich in den Schlagzeilen, als die Beraterin Caroline Dennett über die Machenschaften von Shell in Sachen Klima auspackte, der Klimablog berichtete. Liegt da Greenwashing in der klaren Winterluft? Die Umweltorganisation Alpeninitiative findet genau das und bezeichnet die Aktion als plumpe Greenwashing-PR. Aber das CO2 wird ja kompensiert? Das hätten die Bergbahnen durchaus auch selber und schon vorher tun können. Doch als quasi Paket von Shell scheint das Angebot wohl erst attraktiv genug gewesen zu sein. Der Erdölgigant hat schon früh in Forschung rund um den Klimawandel und seine Ursachen investiert, aber die eindeutigen Ergebnisse lange vor der Öffentlichkeit bewusst geheim gehalten. Als jedoch die Erderwärmung und vor allem die Mitschuld der Ölmultis nicht mehr zu verleugnen waren, ist das Unternehmen auf die Masche mit der CO2-Kompensation umgestiegen. Dabei kauft das Unternehmen Zertifikate von Wald- und Wiederaufforstungsprojekten im globalen Süden für die Kundschaft, welche ihr Gewissen beruhigen möchte. Denn dort sind diese Projekte günstiger als hierzulande. Zwar unterstützt Shell auch Wälder in Deutschland, allerdings werden daraus keine Zertifikate generiert. Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) verleiht Shell 2022 den Schmähpreis “goldener Geier” dafür, dass das Unternehmen damit wirbt, man könne für nur 1,1 Cent zusätzlich pro Liter Benzin seine eigenen CO2-Emissionen über Shell ausgleichen. Die Umwelthilfe geht deswegen nun sogar gerichtlich gegen das Unternehmen vor. Die Kompensation für GTL-Fuel für die Pistenmaschinen in St. Moritz geschieht ebenfalls über Projekte, die Shell im Portfolio hat. Shell wirbt damit, dass die Kompensationen von unabhängigen Instanzen bestätigt würden.

Kompensation – wo ist der Haken?

Haarspalterei oder Schönrechnerei? Kompensationsprojekte haben einen zweifelhaften Ruf. Es gibt Kritik an den Rechenmethoden und am Prinzip selber. Die DUH kritisiert darum auch, dass Shell nicht erkläre, wie genau den die Kompensation stattfinde und vor allem wie das Unternehmen denn eine Absicherung über Jahrhunderte garantieren könne – weil nur kurzfristige Maßnahmen helfen dem Klima nicht. Das mit dem Holz ist sowieso so eine Krux. Wald schützen hilft nur dagegen, dass CO2 nicht durch eventuelle Abholzung freigesetzt wird. Wiederaufforstung bindet schon eher direkt CO2, allerdings extrem langsam. Das ist zwar wertvoll, nützt allerdings als rasche Hilfe, die aktuelle Klimakatastrophe noch abzuwenden, eher wenig. Grundsätzlich sind Waldprojekte am günstigsten unter den Kompensationszertifikaten, darum sind sie auch z.B. bei Airlines beliebt. Andere Projekte setzten auf Einsatz von effizienten Verbrennungsöfen für die Ärmsten dieser Welt, die damit viel CO2-armer kochen können. Man muss bei den Zertifikaten verschiedene Posten unterscheiden, einerseits die Schadenskosten, 1 Tonne CO2 richtet ca. 180 Euro Schäden bei Ernteausfällen und an Gebäuden etc. durch den Klimawandel an. Auf der anderen Seite sind die Vermeidungskosten, also die Kosten, welche dafür nötig sind, an anderer Stelle das zu kompensierende CO2 tatsächlich wieder zu binden. Wird CO2 ausgestoßen und anderswo wieder kompensiert, hat die ausgestoßene Menge trotzdem bereits indirekt weiteren Schaden angerichtet. Die Forscherin Lambert Schneider des Freiburger Öko-Institut, welche solche Kompensationsprojekte untersuchte, sagte gegenüber Deutschlandfunk Kultur, dass weniger als zehn Prozent der Zertifikate mit einer hohen Wahrscheinlichkeit zusätzlich sind und die man tatsächlich empfehlen könne, Emissionen auszugleichen. Viele der Projekte würden sowieso stattfinden, ganz unabhängig, ob noch Zahlungen von CO2-Sündern eingehen würden. Das Thema ist also komplex und nicht alles Gold, was glänzt.

Tatsächlich steht eine eher symbolische Windturbine im Skigebiet. Solche Ansätze sind auch nicht zu kritisieren, solange sie nicht zum Feigenblatt einer milliardenschweren Bourgeoisie der Umweltsünder stilisiert werden.

Ist das Skigebiet nun ein schlechtes Beispiel?

Nein, die Bergbahnunternehmen alleine sind singulär betrachtet gar nicht übel unterwegs. Speziell die Talhälfte oberhalb des Luxusortes (also nicht die im Besitz der Reederfamilie) hat in Vergangenheit immer wieder in Umweltschutzprojekte investiert. Die Bergbahnen sprechen auf ihren eigenen Webseiten von den in dieser Gazette schonmal erwähnten Projekten zum Gletscherschutz durch Snowfarming, über Partikelfilter, bevor diese Pflicht wurden, dass man eine dieselelektrische Pistenmaschine gekauft habe, gar ein kleines Windrad im Skigebiet stehe und auch in Solarthermie und Solarenergie investiert wurde. Bei letzterem taucht interessanterweise wieder der Name Shell auf. Nach der Jahrtausendwende wurden an Seilbahnstationen und Trassen einige Solarpaneele errichtet, die kamen von Shell-Siemens. Siemens und Shell haben im Jahr 2001 ihre Solargeschäfte zusammengelegt. Vielleicht interessant ist auch, dass Shell – besser sein Gründer – eine lange Beziehung zum Skiort der Reichen hat, er ist auch schlussendlich auch hier gestorben. Die Story von Shell gibts hier.

Marketing

Die besagten Solarpaneele wurden damals im Rahmen der “Clean Energy Tour” installiert. Das war die weltweit erste Kommunikationskampagne eines alpinen Skiortes zum Thema Erneuerbare. Im Jahre 2003 war das sicher pionierhaft. Die ziemlich angestaubte Webseite zur damaligen Aktion gibt es aber immer noch. Der Ort wurde damals Energiestadt und es gab Bestrebungen viele verschiedene Projekte im Bereich Energie gemeinsam zu vermarkten. Doch oft liegen dahinter einfache Sachzwänge. Zum Beispiel durften Speiseabfälle aus Hotels nicht mehr an Schweine verfüttert werden, also musste man sie anders entsorgen und dann wurde eben Biogas daraus. Auf 1800 Metern über Meer herrscht das halbe Jahr Winter, aber es scheint an mehr als 320 Tagen die Sonne. Mit reflektierendem Schnee sind in dieser Höhe Solarpaneele bis zu dreimal wirkungsvoller. Wenn ein Hotel oder eine Bergbahn darin investiert, ist das meistens vor allem auch wirtschaftlich attraktiv.

So auch beim jüngsten Projekt, der Beschneiungsanlagen. Für diese wurde kürzlich ein gigantischer Speicherteich errichtet. Das sind künstliche Staubecken, um jederzeit genug Wasser für eine Beschneiung zu haben, bevor die Gäste fürs wichtige Weihnachtsgeschäft eintreffen. Es wird also sowieso beschneit, weit bevor man weiß, ob auch der natürliche Schnee ausreichen würde – es ist quasi eine Risikoversicherung auf Kosten des Klimas, denn dafür wird viel Energie benötigt. Das neue Speicherbecken spart 16 % dieser Energie, weil es Schmelzwasser am Berg sammelt und das Wasser für die Beschneiung nicht wie bisher auch aus dem Tal hochgepumpt werden muss. Das Unternehmen listet übrigens transparent auf, dass ein Tag Skifahren in ihrem Gebiet einem Äquivalent an CO2 von 56 km Autofahrt entsprechen würde. Das wiederum ist der berühmte Kommunikationstrick von BP, bei welchem der individuell auf den Konsumenten heruntergebrochene Fußabdruck die Schuld quasi wieder dem einzelnen Gast zuschiebt. Die Gesamtsumme würde nämlich im Subtext eher die Ebene des Unternehmens kritisieren. Leider kommunizieren beide Bergbahngesellschaften in ihren Geschäftsberichten keine sogenannte Skierdays mehr – aber eine ältere Zahl aus dem Jahr 2009 bestätigt mehr als 1 Million solcher Ersteintritte. Und die stammt nur von einer der beiden Gesellschaften.

Vor zwanzig Jahren erfand der Luxusskiort als erstes alpines Resort das grüne Marketing. Seine Gäste dürften die wohl schlechteste CO2-Bilanz der Welt haben.

Die Gäste und ihr Fußabdruck

Um an obige Metapher anzuknüpfen: Im Engadin ist fast alles, was golden glänzt, eben auch wirklich aus Gold – aber nur fast. Und wenn man nun beurteilen möchte, ob diese Kommunikation Greenwashing ist oder nicht und Shell mindestens kritisch bei seinen Kompensationen betrachtet, muss man mindestens auch über die Relationen reden. Im Durchschnitt verursacht Tourismus 8 % des globalen CO2-Ausstoßes. Beim Skiurlaub spielen aber Pistenpräparation, Lifte und Beschneiung kaum eine Rolle. Für letztere zwei gibt das Skigebiet Sudelfeld in Bayern übrigens an, dass ihre Beschneiung von nur wenigen Tagen gleich viel Energie benötige wie die Lifte für die ganze Saison verbrauchen würden. Der richtig große Brocken ist jedoch die Anreise. Rund 75 % CO2 entfallen bei einem Skiurlaub auf die Anreise, wenn diese per Auto geschieht. Doch in St. Moritz ist das ein bisschen anders. Der Ort verfügt über etwas sehr Exklusives, was nicht viele Skiorte bieten: einen hochalpinen Flughafen. Die Superreichen reisen meistens mit ihren Privatjets an. Manchmal auch per Helikopter vom nächstgelegenen größeren Verkehrsflughafen. Laut einer Studie der Organisation Oxfam verursacht das reichste Prozent der Weltbevölkerung ganze sechzehn Prozent der globalen Gesamtemissionen an CO2. Nur ein Prozent! Und genau dieses ist Hauptkundschaft des Luxusortes. Fast das halbe Jahr stehen viele Hotels im Engadin leer, der Umsatz wird in den wenigen Tagen gemacht, wo der Tross der Superreichen seinen kalendarischen Stopp im Schnee abhält.

Der Flughafen im Engadin wird gerade neu- und ausgebaut, das Terminal größer und die Jets des Jetsets können jetzt bei jedem Wetter landen. Linienverkehr gibt es keinen. London, Mailand, Zürich? Alles nur eine Stunde entfernt für Superreiche, für weniger Begüterte hingegen eine lange und beschwerliche Reise.

Fazit

Der Skimarkt stagniert weltweit, die teure Beschneiung wegen Klimaanpassung kostet immer mehr. Viele suchen dabei die Flucht nach oben – nicht nur topografisch. Immer luxuriösere Hotels, Sitzheizungen auf Sesselliften mit Design von Porsche etc. sprechen eine immer solventere Zielgruppe an, bei der die mögliche Marge höher liegt. Ein Teufelskreis. In St. Moritz war aber schon immer der exklusive Luxus Trumpf, von Anfang an. Die Bergbahnen in St. Moritz kämpfen hingegen mit höheren Umsatzrückgängen als anderswo, der Ort selber mit einem Einbruch der Logiernächte in den letzten Jahren um ganze 30 % – noch vor Corona. Das liegt daran, dass immer mehr Hotels in Zweitwohnsitze umgebaut wurden und sogenannte kalte Betten entstanden sind, die nur wenige Wochen oder gar Tage im Jahr genutzt werden. Sie dienen oft vor allem als Geldanlagen. Und damit fehlen eben auch die Skigäste. Otto Normalarbeiter fahren in ihrem Skiurlaub täglich Ski. Die Superreichen eher nur einen oder zwei, denn daneben gibt es ja noch die berühmten Pferderennen und Polo auf dem Eis, Modeschauen, Luxusshopping in den exklusivsten Boutiquen der Welt etc. Ein Paradoxon also, dass ausgerechnet die Bergbahngesellschaft des nobelsten und reichsten Ferienortes darbt, weil zu wenig Ski gefahren wird. Auf der andern Talhälfte bei den Reedern muss gar regelmäßig Geld zugeschossen werden, um die Anlagen zu erhalten. Nicht nur von der Milliardärsfamilie, sondern auch von der Gemeinde. Man hat deswegen viele Jahre lange praktisch keinen Lift erneuert, sondern höchstens mal die Polster getauscht. Dazu lässt man sich die Architektur der Skibar von Audi sponsern und auf der Terrasse des Bergrestaurants steht ernsthaft eine Zehn-Meter-Yacht für den höchstgelegenen Yachtclub der Welt!

Pistenmaschinen gibt es bereits vollelektrisch. Auch wenn Skifahren schon immer das Golfen der oberen Mittelschicht war, bleibt es trotzdem ein preissensibles Massengeschäft. Die Dinger sollen aber bald ähnlich viel kosten wie ihre dieselbetriebenen Artgenossen. Warum bis dahin nicht eine jährliche Charity für Superreiche veranstalten, um sich bereits jetzt solche leisten zu können? Es gäbe sauberere Wege zu einem C02-neutralen Skigebiet, als ausgerechnet mit einem Erdölkonzern ins Bett zu steigen.

Die Bergbahnen sind sogar so knapp bei Kasse, dass der Ersatz desjenigen Sesselliftes, welcher das teuerste Villenviertel der Welt an das Skigebiet anbindet, von dessen Bewohnern mittels größerer Zuwendungen sowie einem Kredit der Bürgergemeinde mitfinanziert werden musste. Wie glaubhaft ist es nun, dass sich solch klamme Bergbahnen ausgerechnet die vollständige CO2-Kompensation leisten können? Wie glaubhaft ist es, wenn der Anbieter dafür ausgerechnet der größte Erdölkonzern Europa ist, welcher kürzlich von einem Gericht zur drastischen Reduktion von CO2 verurteilt worden ist? CO2-neutrales fossiles Benzin zu verkaufen, würde jeder von uns natürlich als Greenwashing verstehen. Aber aus Erdgas, mit den Worten “klar wie Wasser” in einem winzigen Fläschchen mystisch als technische Errungenschaft beworben, passiert nichts anders an genau dem Ort, wo CO2-Neutralität von Skiurlaub aufgrund der Gäste nirgends weiter weg sein könnte als eben dort. Wenn der teuerste Skiort der Welt also mit CO2-Neutralität wirbt, dann ist das zumindest einfach sehr, sehr geschmacklos. Seine Klientel verursacht mehr CO2 als alle anderen und hätte es auch mehr als alle anderen in der Hand, etwas dagegen zu tun. Wir als Gesellschaft hätten es nur, wenn wir sie dafür gerecht besteuern würden. Aber wer seinen Wohnsitz als gut betuchter Ausländer in die Schweizer Berge verlegt, wird gar pauschal besteuert, bezahlt also quasi eher nur einen symbolischen Betrag, der sich an seinem Lebensaufwand und nicht am Einkommen oder Vermögen bemisst. Gerechte Beteiligung an der Abwendung der Klimakatastrophe sieht anders aus. Skifahren als Tourismusform ist nicht CO2-neutral, egal welchen Treibstoff man für Pistengeräte benutzt. Auch Skigebiete wie die Zugspitze oder Kitzbühel nutzen übrigens GTL-Fuel von Shell, aber sie werben nicht so plump damit. Wohl aus Gründen. Und wer wirklich in die Zukunft investieren möchte, der Hersteller Pistenbully hat 2019 ein elektrische Pistenraupe vorgestellt. Er bewirbt diese als serienreif und bezahlbar, andere Hersteller haben seither aufgeschlossen.

Dass nur eine globale Umverteilung das Klimaproblem wirklich lösen kann, wird einem, wenn man bei stahlblauem Himmel durch das schon von Thomas Mann oder Friedrich Nietzsche beschriebene einzigartige Licht des Hochtales der Dekadenz schreitet, besonders bewusst. Und in genau diesem wollte sich wohl auch Shell sonnen, denn wo das Geld geschäftigen Urlaub macht, ist auch die Quelle des Geldes. Man kann sich übrigens auf dieser Höhe besonders schnell einen Sonnenbrand einfangen.

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