Warum Pellets nicht die Lösung sind – ganz im Gegenteil

Der Verkauf von Holzpellets geht gerade durch die Decke, genau wie bei den zugehörigen Heizsystemen. Viele Jahre wurden diese als CO2-neutral beworben. Doch sind sie auch gut fürs Klima?

Holzpellets sind gerade beliebt – aber sind sie wirklich klimaneutral? Credits photo: pvproductions on Freepik

Es klingt halt toll. Bäume nehmen gleich viel CO2 auf, wie sie bei ihrem Verbrennen wieder abgeben. Wegen dieser einfachen Prämisse glauben viele, dass heizen mit Holz darum das Klima schont. Erdöl und Erdgas seien definitiv viel schlimmer! Doch so einfach ist es leider – wie so oft – nicht. Wir blicken in rumänische Wälder, sprechen über Klimagase, den Faktor Zeit und die dunklen Seiten der gemütlichen Holzöfen und moderneren Pelletheizungen.

Mythos Holz

Der tolle Geruch einer Arvenstube, beim Waldspaziergang oder in einer Schreinerei – einfach herrlich! Holz ist toll und hat ein tolles Image. Zu Recht! Der Rohstoff ist natürlich, wächst nach, ist extrem vielseitig und es wird damit seit jeher Energie gewonnen, geheizt, gekocht – ja einfach Feuer gemacht. Und auch das ist toll, es gibt nichts Gemütlicheres als ein Lagerfeuer im Sommer oder den knisternden Kaminofen im Winter. So viele und so gute Assoziationen wir auch mit Holz verbinden, es hat auch seine Schattenseiten. Wenn es verbrennt, entstehen gefährliche Abgase. Feinstaub und CO2 werden freigesetzt. Und beides sind große Probleme, die man trotz aller Romantik einfach nicht wegreden kann. Warum hat Holz trotzdem weiterhin einen so tollen Ruf? Wie immer bei so einer Frage lautet die Antwort sehr wahrscheinlich ähnlich: weil es dafür eine Industrie und damit auch Lobby gibt.

Kulturell tief verankert. Aber das Klima kann man damit nicht retten. Photo by: Cyrond

Leider nein

Erschreckend bei dem Thema ist, dass auch öffentliche Organisationen wie z.B. die Landesenergieagentur Baden-Württemberg, welche direkt vom Bundesland gefördert wird und von welcher man doch mindestens Neutralität erwarten würde, Pelletheizungen schönredet und sogar verspricht, dass Sorgen ums Klima völlig unbegründet seien. Die Agentur wird von der KEA-BW getragen, welche sich wiederum als “zentrale Anlaufstelle für alle Fragen zum Klimaschutz in Baden-Württemberg” versteht. Wie die Holzlobby, zieht man die Argumentation heran, dass bei Holz doch nur so viel CO2 bei der Verbrennung frei werde, wie vorher im Baum gebunden wurde und damit diese Praxis deswegen nicht klimaschädlich sei. So könnte man auch mit Erdöl argumentieren, denn auch dieses besteht aus biologischem Material wie Pflanzen oder toten Dinosauriern, welches über sehr lange Zeit zu Erdöl wurde. Schlechtes Argument? Bei Bäumen ist das in der zur Relation Klimakrise gesehen nicht so viel anders. Und damit wären wir beim Kern des Problems: der Zeit. Verbrennt man Holz, dann wird innerhalb von Minuten CO2 frei, dessen Speicherung beim Wachstum des Baumes 80 Jahre gedauert hat. Oder noch viel länger. Der älteste Baum Europas befindet sich in Italien. Es ist eine 1230 Jahre alte Kiefer. Selbst im Berliner Grunewald gibt es Eichen, die über 400 Jahre alt sind (die älteste unter ihnen hat letztes Jahr durch einen heftigen Sturm leider Schaden genommen, steht aber weiterhin). Unser Klimaproblem ist hingegen zeitlich relativ eng eingrenzbar auf die Zeit der Industrialisierung, als wir begonnen haben, in großem Stil Kohle und später Öl und Gas aus dem Boden zu holen. Das war so ungefähr ab 1830. Viele Bäume sind also selbst in unseren Stadtparks älter als der kurze Zeitraum, in welchem wir uns in diese missliche Zwangslage mit der Klimakatastrophe gebracht haben. Wir wussten zwar seit mehr als einem halben Jahrhundert Bescheid, allen voran die Erdölkonzerne (diese Story gibts hier), aber haben so lange gewartet, dass wir nun kaum mehr Zeit übrig haben. Konkret eigentlich nur noch wenige Jahre (wie viel genau und warum es so wenig sind: hier). Wir müssen jetzt also für unser Überleben und das Ziel, nicht über die Kipppunkte hinauszukommen bzw. die weltweit vereinbarten Klimaziele einzuhalten, in sehr kurzen Zeiträumen planen und handeln. Und damit nicht in Zeiträumen, die das jahrzehntelange Nachwachsen von Bäumen berücksichtigen können. Wir machen im nächsten Abschnitt trotzdem einen raschen Ausflug in den Wald.

Sowieso Abfälle aus Sägewerken? Leider immer weniger – und die Nachfrage explodiert gerade. Photo by #ODF

Woher kommen Pellets?

Weil Holz ständig nachwächst und man nicht den einzelnen Baum zählen kann, werden einige jetzt bemerken, dass in vielen Wäldern die Bilanz doch positiv sei, also mehr Holz nachwachse, als geschlagen werde. Diese Tatsache ist richtig, aber im größeren Kontext entlastet sie die Holzheizung überhaupt nicht. Eigentlich brauchen wir jeden Baum, um vergangene Schäden und die in anderen Erdteilen, z.B. in abgeholzten Amazonasgebieten, auszugleichen. Aber auch rein innerdeutsch ist der Wald mittlerweile so in Mitleidenschaft gezogen, dass er richtig krank ist. Und da ist wiederum zum großen Anteil der Klimawandel schuld. Also ein Teufelskreis. Laut Satellitendaten des DLR (Deutsche Luft- und Raumfahrtzentrum) sind die Baumverluste in Deutschland erheblich größer als angenommen. Die Holzlobby versichert treuherzig, dass doch nur Holzabfälle zu Pellets und damit verbrannt würden, die sowieso anfallen. Doch diese Holzreste sind wichtig für den Wald, wir entziehen diesem Nährstoffe, wenn wir sie verbrennen, anstatt dem Wald zu überlassen. Wie das ZDF heute journal kürzlich berichtete, werden in Rumänien Wälder abgeholzt, die als nachhaltig gelabelt sind, um den plötzlich extremen Hunger der Deutschen nach Holzpellets wegen der Energiekrise zu decken. Holzreste entstehen aber auch aus Produktionsabfällen. Und wenn man da genauer hinschaut, entdeckt man, dass das Holzrecycling kein Kreislauf ist, sondern praktisch ausschließlich in der Verbrennung endet. Darüber hat der Klimablog hier berichtet. Lange stimmte die Rechnung tatsächlich, dass praktisch alle Pellets in Deutschland nur aus Abfällen von z.B. Sägewerken stammen. Doch eben gerade das gute Marketing und jetzt der Krisenboom haben dazu geführt, dass unbemerkt und schon seit einer Weile quasi der Kipppunkt der Pellets überschritten wurde. Von 15 % der Pellets weiß man mittlerweile nicht mehr so genau, wo sie herkommen. Und die Anzahl der hochgelobten Pelletheizungen steigt immer weiter, ja explodiert gerade. Bereits 400’000 Haushalte in Deutschland heizen so. Der Anteil aus dubioser und schädlicher Herkunft nimmt ab jetzt nur noch zu, denn es wird immer weniger Holz in Deutschland geschlagen, aber immer mehr Pellets werden verbrannt. In der Slowakei, Polen oder eben Rumänien steigt der Holzschlag zudem verdächtig rasant an. Damit ist die Pelletheizung aus der Ökonische entwachsen und ab jetzt passiert eher das Gegenteil von Klimarettung. Die Dosis macht das Gift.

Der Kipppunkt ist erreicht, die Pellets haben ihre Unschuld verloren.

Die schwarze Gefahr

Und da wären wir noch bei einem gewichtigen weiteren Nachteil, der bisher extrem unterschätzt wurde. Er hat nicht so sehr mit dem Klima zu tun, ist aber ebenfalls wichtig für den Kontext, ob Pelletheizungen eine Zukunft haben sollten. Es geht um die Gesundheit. Wie der Gesundheitsminister in den letzten Wochen bereits mehrfach auf Twitter thematisiert hat, ist der Feinstaub aus Holzheizungen eine große Gefahr. Immer mehr und bessere Studien belegen, dass dieser mit Alzheimer in Verbindung gebracht werden kann. Klar spielt da der Reifenabrieb von Autos (und nicht mal so sehr was aus dem Auspuff kommt) die weitaus größte Rolle. Aber wenn man abends durch Einfamilienhäusergebiete spaziert, kann man den geradezu schon typischen Rauchgeruch fast überall riechen. Gerade in kalten Winternächten kühlt dieser Rauch viel zu schnell ab und wabert dann bodennah rund um die Häuser. Zwar sollte man im Winter keine Fenster auf Kipp geöffnet lassen, wegen Klima- und Energiekrise, aber auch die immer mehr anzutreffenden Lüftungssysteme in energetisch gut und deswegen dicht gedämmten Neubauten saugen diese Feinstaubwolken ein und verteilen sie unbemerkt in die Schlafzimmer. So atmen schon Kleinkinder in der Wiege hochgiftigen, feinsten Staub ein. Die Industrie verkauft da zwar die Lösung der Partikelabscheider in Kaminen, diese sind aber nicht vorgeschrieben und erfassen nur große Partikel, keinen ultrafeinen Feinstaub. Und CO2 filtern sie auch nicht aus dem Abgas. Das Umweltbundesamt gibt an, dass bundesweit ganze 11,2 Millionen sogenannte “Einzelraumfeuerungsanlagen” existieren und warnt ebenfalls vor den Gefahren von Holzheizungen:

“Die kleinsten Teilchen (sogenannte ultrafeine Partikel) erreichen sogar den Blutkreislauf und verbreiten sich bis in alle Organe. Gesundheitliche Wirkungen, die mit Feinstaubbelastungen nachweislich zusammenhängen, reichen von Schleimhautreizungen / lokalen Entzündungen in der Luftröhre und den Bronchien / Lungenalveolen, verstärkter Plaquebildung in den Blutgefäßen bis hin zu Schlaganfall und Krebs.”

Umweltbundesamt
Feinstaub aus Holzheizungen, wie zum Beispiel Pelletheizungen, sind gesundheitsgefährdend. Nicht nur ihre Besitzer, sondern auch für alle Nachbarn.

Fazit

Pelletheizungen hatten lange ein tolles Image. Sägespäne als Nischenmarkt waren vielleicht mal angesagt, aber je beliebter die Heizungen werden, desto weniger taugen sie paradoxerweise als Alternative, um das Klima zu retten. Und für alle Holzheizungen, auch die gemütlichen Kamine, schaden uns gesundheitlich so erheblich und alarmierend viel mehr als bisher angenommen, dass wir eigentlich sofort über Verbote in Siedlungsgebieten nachdenken müssten. Doch genau das Gegenteil passiert aktuell, Ofenbauer kommen mit Bestellungen nicht mehr nach, die Absatzzahlen vervielfachen sich gerade. Selbst große Konzerne nutzen das gute Image von Holz für Greenwashing. Audi will zum Beispiel in Ingolstadt eine Holzschnitzelanlage mit industriellen Dimensionen bauen, um ihr dortiges Werk zu “dekarbonisieren”. Man kann das auch als Ablenkungsmanöver für Dieselgate betrachten. Weil sich die Anlage rechnen muss, soll jetzt auch ein Fernwärmenetz entstehen. Und weil die Regierung Besitzer von Einfamilienhäuschen zunehmend mit verpflichtender Gasberatung, Verboten von neuen fossilen Heizungen etc. unter Druck setzt, kommt dieses Angebot natürlich gelegen. Aber das ist jedoch nur ein Sprung vom Starkregen in die Traufe. Es ist also nicht alles Gold, was glänzt. Weil die vorhergehende Regierung Alternativen mutwillig zerstörte oder zumindest massiv schwächte und wir jetzt auch noch einen bundesweiten Diskurs und öffentlichen Bildung über erneuerbare, zukunftsfähige und vor allem nicht klimaschädliche Energien nachholen müssen, passieren unter Zeitdruck genau solche massiven Fehler. Was denn besser sei? Erdwärme, Wärmepumpen, Solar, Biogas aus viel schneller nachwachsenden Quellen und so weiter. Holz ist nicht des Teufels und kann richtig eingesetzt wertvolle Dienste bei der Klimarettung leisten. Aber nicht, wenn man es einfach direkt verbrennt. Pellets und Holzheizungen waren ursprünglich kein Irrweg, aber jetzt werden sie gerade zu einem, wenn wir nicht gewaltig aufpassen, gegensteuern, aufklären und bessere Alternativen wählen. Aus Fachkräftemangel bei Wärmepumpen oder Solar jetzt einfach einen Bollerofen oder ein Pelletsystem bestellen, ist zwar für die Politik im Augenblick gerade entlastend, weil da ja noch das akute Gasproblem ist, aber jede heute falsch gekaufte Heizung wird danach lange im Keller stehen. Zu lange für die Klimakatastrophe. Das sind keine Haare in der Suppe, sondern es ist einfache Physik. Wir haben die Margen aufgebraucht, jetzt muss jede Entscheidung sitzen.

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