Atomenergie – was du noch nicht wusstest – Teil 1

Warum ist Atomkraft keine Lösung für die Klimakatastrophe? Es wurde jüngst viel diskutiert, gerade weil die Atomlobby in der Krise Chancen wittert. Doch die Abgründe hinter der Kernspaltung sind viel tiefer als das Allgemeinwissen der meisten. Nach diesem Beitrag wirst du wahrscheinlich mehr frösteln, als den ganzen nächsten Winter.

Verseuchung, Vertuschung und viele Opfer – der Blick hinter die nukleare Fassade. Credits

Kann es sein, dass sich der bayrische Sonnenkönig Söder auf Fotos immer krampfhafter lächelnd an seiner Maß in den Bierzelten festhält? Genauso wie er jetzt versucht populistisch sich an der Atomkraft festzuhalten, nachdem ihm die Felle wegen der so lange bewusst torpedierten Energiewende davonschwimmen? Könnte Marie Curie ihm bei seinen Verwindungen zusehen, würde sie sich im Grabe umdrehen. Die Atomkraft hat nämlich viel mehr mit dem Klimawandel zu tun, als wir denken. Sie löst das Problem nicht, nachdem sie auch Teil der Ursache ist und hat unvorstellbares Leid über die Menschheit gebracht – eben genau wie die Klimakatastrophe auch. Und das historisch gesehen fast zeitgleich.

Wie alle Energielobbys hat die Atomindustrie viel Macht. Technisch überholt schwindet diese, doch während die einen aussteigen, steigen immer noch andere erst ein. Waffen, Energieproduktion und der Verkauf von Know-how sowie der passenden Technik rund um Kernspaltung und Kraftwerke bleiben auf noch unabsehbare Zeit ein Geschäft, eine Gefahr und politischer Zündstoff – auch in Deutschland. In der aktuellen Situation spielen sich in Europa rund um das Thema Atomenergie gerade unglaubliche Szenen ab. Weil bei jedem Euro, der darin investiert wird, einer weniger für Erneuerbare übrig bleibt, ist es wichtig, den Kontext von Atomtechnologie zu verstehen. Egal wie viel du schon weißt, dieser Beitrag versucht Lücken zu füllen und Wissen zu ergänzen. Denn Kernkraft ist nicht nur gepflegte heimische Kraftwerke, bunte Castorbehälter und die im kollektiven Bewusstsein gerade noch präsenten beiden Unfälle in der Ukraine und Japan – nein, die Abgründe sind viel tiefer, hässlicher und unsicherer, als sich das der Durchschnittswähler so vorstellen kann. Darum hier ein Versuch einer Zusammenfassung, die über Tschernobyl und Fukushima hinausgeht. Die Idee hinter dieser Beitrags-Trilogie ist es, aufzuzeigen, dass der Mensch Radioaktivität nie sicher beherrscht hat und dass die finanziellen und politischen Folgen jegliche Hoffnung auf eine Rettung des Klimas vernichten. Wir lassen persönliche Schicksale weg und schauen uns nüchtern an, was in abgelegenen Atomkomplexen, den Hinterhöfen der Atomindustrie und in der Atompolitik so alles passiert ist. Zieh dich warm an, denn es wird ziemlich verstörend:

Die Technologie

Um die vorletzte Jahrhundertwende wurde Radioaktivität wissenschaftlich entdeckt. Wie so oft durch einen Zufall. Die Forschung begann. Noch niemand konnte absehen, wohin das führen würde. Henri Becquerel, Marie Curie und andere wurde dafür bekannt. Grundlagen wurden erarbeitet und bald schon erkannte man die Möglichkeiten von Radioaktivität. Man unterschätzte aber die Risiken. Forscher wurden bei den eigenen Versuchen verstrahlt, verletzt und starben daran. Während Chemiker vor allem den Elementen fasziniert zugetan waren, erkannten Physiker relativ rasch die energetische Dimension. Der Erste Weltkrieg brachte unvorstellbares Leid in die Welt. Atomare Erkenntnisse und die Grausamkeit der damals aktuellen Realität führten bei Superhirnen wie Einstein zur Kombination, dass wer diese Forschung negativ nutzen will, damit das Tor zur Hölle aufstoßen könnte. Im gleich folgenden Zweiten Weltkrieg begann ein wissenschaftlicher Wettlauf. Die ARD-Serie “Saboteure im Eis” beleuchtet dies sehr spannend. Das wurde anfänglich politisch nicht wirklich ernst genommen. Doch nach Einsteins Brief an US-Präsident Roosevelt, in welchem er erklärte, dass die Technologie waffenfähig gemacht das Ende der Welt in diesem Zustand bedeuten könnte und Hitler womöglich näher dran wäre, als gedacht, änderte alles.

Die USA reagierten mit einem beispiellosen Atomprogramm. Unter Zeitdruck und mit gigantischen finanziellen Mitteln wurde in der abgelegenen und geheimen Forschungsstadt Los Alamos in Windeseile an Atomwaffen geforscht und bald auch welche konstruiert. In der Wüste von Nevada getestet, führte dies alsbald zu den beiden Abwürfen in Japan. Nach diesem Schreck stürzte die Welt in die Jahrzehnte des Kalten Krieges. Atomare Aufrüstung war Trumpf, koste es was es wolle. Der Öffentlichkeit wurden Wunder, Frieden und Fortschritt versprochen. Diese wähnte sich technoid in der Zukunft angekommen. Unendliche Energie ohne Sorgen, erschwinglich, für jeden und überall, sogar im Weltall. Mit den aufkommenden Autos träumte man in den neuen Vorstädten im wirtschaftlich explodierenden Amerika von atomar betriebenen PKW und die in Landesteilen wie Florida damals verbreiteten Solaranlagen für Warmwasser in Eigenheimen wurden verdrängt von billigem Öl und alsbald eben auch billiger Atomenergie. Der Kalte Krieg war auch ein Krieg um wirtschaftliche wie technische Vorherrschaft. Die Mondlandung, die Autobahnen, Fernseher und viele andere bahnbrechende technische Leistungen dieser Zeit blendeten alle Risiken aus. Ok, da waren auch Vietnam oder die Ölkrise, aber gerade darauf sollte Atomenergie ganz besonders die Antwort sein. Und die Symbiose war perfekt: zivile Reaktoren liefern Strom und produzieren gleichzeitig auch noch waffenfähiges Plutonium. Atombomben und Reaktoren als buchstäblich strahlendes Friedensprojekt. Soweit der Geschichtsabriss und die Allgemeinbildung der meisten von uns. Weil Kerntechnologie quasi mit Quelle zum Wohlstand und der geopolitischen Sicherheit waren, kam das infrage stellen derselben überhaupt nicht infrage.

In Europa fuhr man Trittbrett dank des Marshallplans und ließ sich alsbald die ersten US-Meiler andrehen, Frankreich hatte auch endlich die Bombe und im gespaltenen Deutschland fand der Kalte Krieg so anschaulich konzentriert statt wie nirgendwo sonst. Die Spaltung von Atomen wurde daher für Ost wie West zur Demonstration von Stärke. Wer wollte schon bei sprunghaft ansteigendem Wohlstand und besoffen vom Wirtschaftswunder etwas von Risiken oder Problemen hören, die Atomlobby hatte sich fest installiert. Doch Probleme gab es von Anfang an. Nicht nur Rückschläge, sondern unter heutiger Betrachtung unfassbare Geschehnisse. Von vielen erfuhr man nichts oder nur wenig. Galt doch noch ein Großteil als Militärgeheimnis. Praktisch. Von einigen hat man gehört, sie aber wieder vergessen. Doch mit jedem zusätzlichen Ereignis wuchs Aufmerksamkeit, Widerstand und schließlich organisierter Aktionismus gegen die Industrie, die Gefahr und die Folgen. Womit wir bei den Leichen im Keller angekommen wären, den Abgründen hinter der militärischen und wirtschaftlichen Erfolgsfassade der atomaren Machtkämpfe zwischen Ost und West. Und wer jetzt mit dem Hinweis um die Ecke bieg, dass man zivilen Atomstrom nicht mit der militärischen Nutzung vergleichen könne, dem sei nochmal deutlich gesagt, dass eben alles zusammenhängt, bis heute. Alle großen Atommächte betreiben Atomanlagen mehr oder weniger offiziell für beide Branchen. Zwischen- und Endlager, Aufbereitung, Anreicherung, Brennstoffproduktion, Forschung usw. gehen ineinander über.

Sieht wunderschön aus. Das ist aber ein riesiger und hoch radioaktiver Mülleimer im Pazifischen Ozean. Die USA testeten hier auf dem Bikini-Atoll ihre Atombomben. Die Ureinwohner wurden vertrieben und bis heute nicht adäquat entschädigt. Die UN warnt, dass der Betondeckel auf dem Müll bröckelt und erneuert werden müsste, weil er langsam undicht wird. Das liegt auch am durch den Klimawandel steigenden Meeresspiegel.

Neben den Kraftwerken

Egal wo und wie Radioaktivität vom Mensch genutzt wurde, es gab immer Opfer, Verletzte, Skandale und Vertuschung. Der Mensch an sich ist der Gefahr kaum gewachsen, was einfach an seiner Natur liegt, Fehler zu machen und der Gier zu erliegen. Oder auch einfach nur sehr verantwortungslos zu handeln.

“Wir leben in einem gefährlichen Zeitalter. Der Mensch beherrscht die Natur, bevor er gelernt hat, sich selbst zu beherrschen.”

Albert Schweitzer, Arzt & Theologe

Da wären verstrahlte Arbeiterinnen in der Uhrenherstellung, welche Leuchtzifferblätter bemalten, tödlich beschossene Patienten wegen Programmierfehler in der Software von Bestrahlungsgeräten in Krebskliniken oder verstrahlte Hilfsarbeiter in Sterilisierungsanlagen – meist in wirtschaftlich schwächeren Staaten eingesetzt – welche, teils nicht aufgeklärt, Sicherheitsmechanismen überbrückten und sich tödlich verletzten. Und nicht einmal, sondern immer wieder wiederholten sich Unfälle dabei, wie auch solche Ereignisse in der friedlichen Nutzung der Technologie teils großen Schaden anrichteten. Harmlos waren eher noch einfach im Wald in alten Bunkern gelagerte und von Dieben gestohlene schwach radioaktive Abfälle, kaum ausgebildetes Personal, welches mit radioaktiven Quellen Schweißnähte in Wasserkraftwerken kontrollierte und durch kaputte Geräte schwer verletzt wurde, abgelegene Funkstationen mit Atombatterien, welche aufgegeben wurden und dann niemand die gefährlichen Anlagen demontierte sowie fachgerecht entsorgte, bis ebenfalls Diebe sich den Ruinen annahmen. Ja, jeder wollte am atomaren Wunder teilhaben. Und so fand die Technologie in vielen Ländern Anwendung, in denen die Sicherheitskultur nicht ganz mit der unsrigen vergleichbar war.

Gerade unsachgemäße Lagerung und Entsorgung führte zum Beispiel bei der medizinischen Anwendung weltweit zu einer Reihe von unglaublichen Vorfällen. Nicht alle Strahlentherapiegeräte erzeugen, wie es sich mancher vorstellt, auf Knopfdruck mit Strom einen “Strahl”. Das Prinzip ist bei einigen viel simpler. Ein Strahlung abschirmendes Gehäuse enthält eine starke Strahlenquelle, z.B. zu Tabs gepresstes Kobalt oder Caesiumchlorid. Bei der Bestrahlung wird dann einfach eine Seite des Gehäuses geöffnet und die Strahlung, welche dauernd da ist, tritt ungehindert aus. Davor wird eine genau justierte Kulisse bzw. Blende gehalten, damit nur der ausgesuchte Bereich bestrahlt wird. Braucht man das Gerät nicht mehr, müsste die Quelle ausgebaut und sicher entsorgt werden. Doch das geschah gleich mehrfach nicht wie gedacht. Der vielleicht größte solche Fall ereignete sich 1987 in Goiânia, Mexiko. In einer pleite gegangenen und darum verlassenen Klinik blieb ein Gerät stehen. Schrottsammler montierten unwissend um die Gefahr den Behälter mit der Strahlenquelle ab. Sie brachen ihn zu Hause auf und entdeckten, dass die Quelle in der Nacht blau leuchtete (ionisierende Strahlung). Sie verteilten nichts verstehend oder wissend Brocken und Staub der Quelle an ihre Nachbarn wie auch Freunde und hielten sie für eine göttliche Erscheinung. Kinder spielten damit, einer malte sich damit ein Kreuz auf die Haut, um die Freundin in der Nacht zu beeindrucken usw. Schnell wurden die Diebe und viele, die mit der Beute in Berührung gelangten, schwer krank. Erst, als Opfer im örtlichen Krankenhaus und mit Resten der Quelle im Gepäck auftauchten, wurde Alarm geschlagen. Doch 90 % des radioaktiven Materials war schon entwichen. Eine riesige Aktion wurde in Gang gebracht, Stadtteile abgesperrt, um Betroffene zu identifizieren. Hunderttausende wurden untersucht, Zeltlager in Stadien aufgebaut, Plätze, Straßen und Häuser mussten mühsamst von Hand mit speziellen Staubsaugern und Waschmechanismen dekontaminiert oder abgebrochen und entsorgt, Nachverfolgungsketten identifiziert werden. Denn jedes Staubkorn kann ewig weiter strahlen und eingeatmet tödlich wirken. Bereits eingeschmolzene Metallteile des Schrotthändlers mussten teils international filmreif gesucht und gestoppt werden, was auch nur per Zufall gelang, als ein LKW an einer Forschungseinrichtung mit sensibel anschlagenden Messgeräten vorbeifuhr. Die Dekontaminierung zog sich ein Jahrzehnt hin, die Leichen der Opfer wurden in Beton gegossen, Angehörige und Betroffene kämpfen bis heute mit den Folgen. Gesundheitlich, psychisch, finanziell und politisch. Auch von dieser Art Vorfall gab es weltweit noch mehrere weitere. In unzähligen Krankenhäusern stehen solche Geräte rund um den Globus. Eine physisch so winzige Menge Material hatte bereits so unglaublich katastrophale Konsequenzen. Und wir sind noch immer nicht bei der hochpotenten Nutzung im Kraftwerksbereich angelangt.

Die mühsame Dekontamination der Stadt Goiânia. 4 Tote, 249 schwer kontaminierte, unzählige mit Spätfolgen. Noch heute leiden offiziell 500 Betroffene unter dem Unfall.

Majak

Goiânia war auf der INES-Skala auf Stufe 5. Diese Skala der internationalen Atomorganisation IAEA ist nicht wirklich ein wissenschaftliches, sondern eher für die Öffentlichkeit gedachtes Maß, welches nach einem 200 Seiten starken Regelwerk radioaktive Vorfälle klassifiziert. Viele Vorfälle sind aber noch nicht einmal kategorisiert worden, denn die Liste ist haarsträubend lang. Die Liste beginnt bei eher unbedeutenden Laborunfällen und hört bei den Super-GAU-Ereignissen von Tschernobyl und Fukushima bei Klasse 7 auf. Doch es gab gerade in Kraftwerken viele weitere Vorfälle und auch zig Kernschmelzen, welche entweder aus dem kollektiven Gedächtnis bereits nach wenigen Jahrzehnten fast verschwunden sind, oder dort nie wirklich ankamen. Wie zum Beispiel der vielleicht schlimmste Atomunfall, denn es je gab. Offiziell steht der auf Stufe 6, soll aber laut Experten auf Stufe 7 hochgestuft werden. Der Kyschtym-Unfall passierte im russischen Majak bereits 1957. Im hochgeheimen Atomkomplex dort wurde Plutonium für Bomben hergestellt und es sollte eigentlich auch später noch Strom in einem nie fertig gestellten Mega-AKW produziert werden.

In einem Tank wurden atomare Flüssigkeitsreste gelagert, um die Nachzerfallswärme abzubauen. Doch das Kühlsystem ging kaputt und es kam zu einer unglaublich gewaltigen, kilometerweite sicht- und hörbaren Explosion. Diese war rein chemisch und noch nicht mal atomar durch Kernspaltung getrieben. Zwar verblieb 90 % des Materials auf dem Gelände, aber die 10 %, welche in die Luft geschleudert wurde, verteilte sich hunderte von Kilometern der Windrichtung nach. Die Bevölkerung der schwach besiedelten Gegend wurde nicht sofort gewarnt, erst Monate danach wurden nur gerade zehntausend umgesiedelt. Die Krebsrate stieg, viele wurden krank, Missbildungen waren die Folgen. Und der Unfall wiederholte sich wenige Jahre später gleich nochmal, diesmal nicht durch eine Explosion, sondern weil der See, in welchem die Abfälle der früheren Explosion gelagert wurden und als giftigster und tödlichster Ort der Welt gilt, kurz nach dem ersten Unfall auszutrocknen begann und 1968 komplett trocken fiel. Durch starke Winde wirbelten riesige Mengen an atomaren Sedimenten auf und der Staub verteilte sich über 1800 Quadratkilometer. Dabei wurde eine halbe Million Menschen belastet. Den See gibt es immer noch, jetzt einfach mit Betonblöcken zugeschüttet und abgedeckt. Erst als 1976 ein sowjetischer Wissenschaftler flüchtete und seine Forschung veröffentlichte, in welcher er festgestellt hatte, dass sich eine atomare Explosion im Ural ereignet haben musste, erfuhr man im Westen davon. Doch hier war der nukleare Kraftwerks-Hype gerade auf seinem ersten Höhepunkt angelangt und niemand wollte von solchen Ereignissen hören. Offiziell wurde der Unfall erst nach der Glasnost 1989 bestätigt. Bekanntheit erlangte er jüngst, weil Waldbrände sich der immer noch in Betrieb befindlichen Anlage und dem vertrockneten See näherten. So stellt der Unfall noch heute eine latente Gefahr dar. Weil die Nuklearanlage weiter der absoluten Geheimhaltung untersteht und der Zugang beschränkt ist, fehlen Details zum Unfall weitestgehend. Das hat sich auch jüngst wieder bestätigt. 2017 hat sich in Majak ein dritter schwerer Unfall ereignet. Russland leugnete den Vorfall, die Daten unzähliger Messstationen in Mittel- und Osteuropa waren aber eindeutig. Der Vorfall muss mindestens Kategorie INES 5 gehabt haben. Wer also Brennstäbe aus Russland nutzt oder welche zur Wiederaufbereitung dorthin schickte, der ist direkt für atomare Verseuchung der Umwelt mitverantwortlich. Noch eine Brezn dazu, Markus?

Die sogenannte Osturalspur. Schwere Verseuchung nach einer gewaltigen Explosion. Der wahrscheinlichsten schwerste Atomunfall der Menschheitsgeschichte. An gleicher Stelle ereigneten sich zwei weitere, der letzte 2017. Credits
Der am meisten verseuchte und wahrscheinlich tödlichste Ort der Welt: der Karatschai-See in der kerntechnischen Anlage Majak. Im See lagerten Abfälle des ersten Unfalles. Wenige Jahre danach fiel der See trocken, Staub wirbelte auf und verseuchte die Umwelt über gigantische Distanzen. Es besteht die Befürchtung, dass strahlende Stoffe von hier ins Grundwasser und von dort über Flüsse bis in den arktischen Ozean gelangen könnten.

Lucens

Doch auch im Westen lief es nie rund. Schon von Anfang an nicht. Haarsträubend ist diese Geschichte aus der Schweiz: Von den Weltkriegsdoktrin verbrämt glaubte man dort nach dem Krieg an die totale Unabhängigkeit und träumte sogar absolut größenwahnsinnig ernsthaft von der eigenen Atombombe. Man traute sich im Fieberwahn des anbrechenden Atomzeitalters auch ernsthaft die Entwicklung völlig eigenständiger Kraftwerkstechnologie zu und wie alle unbequemen Wahrheiten im Alpenstaat, hat man den Versuch dazu einfach in einen Berg hineingegraben. Das Vorhaben verzögerte sich aber deswegen dermaßen, dass die örtlichen Energiekonzerne noch währenddessen begannen amerikanische Kraftwerke ab Stange zu kaufen, man wollte ja den Anschluss nicht verpassen. Offiziell sollte zwar kein waffenfähiges Material in der Versuchsanlage hergestellt werden, doch sie war laut Planer durchaus dafür ausgelegt. Unter Zeitdruck der Industrie und Regierung geriet der Versuchsreaktor 1969 im Berg bei Lucens außer Kontrolle und es kam zu einer Kernschmelze. Die unterirdische Anlage war nicht so dicht wie gedacht und die Strahlung stieg auch außerhalb in der Umgebung sofort an. Daran erinnern sich heute nur noch wenige. 50 Jahre danach wird rund um die mit Beton verfüllten Kaverne wieder erhöhte Strahlung gemessen. Mehr zu diesem Phänomen später. Die Stollen werden noch immer extrem bewacht und dienen heute als Museumslager. Der Traum war für die Mini-Nation schnell ausgeträumt und endete mit dem bis dahin schlimmsten Unfall der INES-Stufe 5, von Majak wusste da ja noch keiner.

Tief im Berginneren verborgen kam es in Lucens in der Schweiz 1969 zu einer Kernschmelze. Man hatte sich mit der wahnwitzigen Idee einer Eigenentwicklung übernommen. Credits

Fazit 1

Dieser erste Teil beschäftigte sich grob mit der Entwicklung von Nukleartechnologie für Waffen wie auch die zivile Nutzung. Die nur schon wenigen Beispiele vergangener Unglücke, welche heute nur noch wenigen bekannt sind, zeigen, dass der Mensch viel zu schnell vergisst. Unter dem absoluten Ziel von Krieg wurde eine Entdeckung der Wissenschaft in kürzester Zeit zur größten Bedrohung der Menschheit – neben dem Klimawandel. An der Unbeherrschbarkeit der Materie kann man erkennen, dass es viele Parallelen zur Klimakatastrophe gibt. Die gerufenen Geister gehen nicht mehr weg, man kann nur die Ursachen so schnell wie möglich abstellen und lernen, mit dem Rest zu leben. Dieser Rest ist auch bei der Atomtechnologie so unglaublich groß und in so vielen Formen in unserer Umwelt, dass wir dringend in Teil 2 einen Blick darauf werfen müssen. Verseuchte Schulen, verlassene Atomkomplexe, riesigen strahlende Abfallhalden mitten in Deutschland und warum der Saharastaub vielleicht gefährlicher ist, als wir denken.

Weiter zu Teil 2

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