Atomenergie – was du noch nicht wusstest – Teil 2

Geheime Atomkomplexe, atomare Müllhalden, radioaktive Fässer, Tumore in einer High School, verseuchte Soldaten - das nukleare Erbe ist gigantisch und ewig. Diese Technologie rettet nicht die Zukunft, sie gefährdet sie. Eine Reise in die nuklearen Hinterhöfe dieser Welt.

Weder Nukleartechnologie noch das Klima beherrscht der Mensch. Er sollte darum nicht auch noch beides kombinieren.

Kommst du gerade von Teil 1 oder bist du per Zufall hier? Denn dann möchte ich dich darauf hinweisen, dass dies eine Beitrags-Trilogie von DerKlimablog.de rund um das Thema Atomenergie ist, welche sich vor allem mit der Dimension der Folgen beschäftigt, welche die bisherige Nutzung von Nukleartechnik weltweit so mit sich brachte. Absicht ist es, verständlich darzulegen, warum die Rettung des Klimas nicht atomar sein kann, sondern die Atomgeschichte erschreckend viel mit der Klimageschichte teilt. Im ersten Teil haben wir uns die Geschichte und große, aber wenig bekannten Atomunfälle angesehen, um zu verdeutlichen, wie irre und gefährlich die nukleare Technologie schon seit ihrem Beginn ist. In diesem Teil beleuchten wir weitere Auswirkungen wie die weltweite radioaktive Verseuchung von Menschen und Umwelt. Konstruktionsfehler, Denkfehler, fehlende Qualifikation und eine falsche Sicherheitskultur und Skrupellosigkeit führen immer wieder zu Ereignissen, die man eigentlich ja so dringend ausschließen wollte. Statistisch sollten sich weder Kernschmelzen noch Super-GAU’s in wenigen Jahrzehnten mehrfach wiederholen. Doch genau das ist passiert. Kraftwerke altern, Politik ändert – Strahlung ist aber für immer.

Rein schon die zivile Nutzung mit schwacher Strahlung hat riesiges Leid und unvorstellbare Unfälle produziert. Die hochradioaktive Nutzung im Kraftwerken und nach wie vor im Waffenbereich kontaminieren weiterhin und für menschliches Ermessen für immer riesige Areale auf diesem Planeten. Neben den zwei bekanntesten Ereignissen von Fukushima und Tschernobyl gab es auch brennende Reaktorkerne in Windscale/Sellafield GB, schmelzende Kerne in Three-Mile-Island USA, austretende radioaktive Dämpfe in mehreren AKW’s, Wiederaufbereitungsanlagen oder kerntechnischen Waffenanlagen. Radioaktiver Müll wird weiterhin vor unser aller Augen ins Meer gekippt. Zum Beispiel in La Hague, FR, oder in Sellafield, GB. Einfach so. Denn sehr wohl ist das Verklappen in Fässern international verboten, das Einleiten von atomar verseuchtem Wasser ins Meer ist es jedoch nicht. Es gibt da diese Baywatchfolge, wo Giftfässer auf dem Meer ein Problem für Badegäste in L.A. darstellt. Nun, das ist leider keine Fiktion. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhundert versenkten acht europäische Staaten tausende Fässer mit Atommüll in Atlantik und Ärmelkanal. Und darüber findet reger atomarer Warenverkehr mit all seinen Risiken statt. James-Bond ist langweilig dagegen.

Rund um viele Standorte von Kraftwerken oder die Aufbereitungsanlagen sind Krebsfälle, Leukämie usw. in den Statistiken signifikant erhöht. Doch weil die Wissenschaft keine Mittel hat, absolut eindeutige Beweise zu erbringen, ist eine gerichtliche Feststellung nicht möglich. Obwohl es alle wissen, Tausende leiden und sterben, nehmen wir es hin. Die Werke sind weiter in Betrieb. The Show must go on. Es ist sogar so, dass niemand genau sagen kann, was eine Verseuchung mit gewissen Elementen, sei sie noch so schwach, wirklich in Menschen anrichten kann. Wenn in Frankreich in allen Flüssen unterhalb von Atomkraftwerken erhöhte Werte gemessen werden können, wie sicher ist das wirklich langfristig für die Bevölkerung? Nur weil es noch keiner weiß, heißt das nicht, dass Risiken nicht existieren. Darum wäre eigentlich jede Kontamination der Umwelt zu vermeiden. Das ist aber nirgends in der Atomgeschichte wirklich gelungen. Und nur das alleine ist schon Grund genug, sofort damit aufzuhören. Auch wenn es vielerorts zu spät ist. Es ist sogar so, dass – nicht über die großen Kühltürme, sondern die unscheinbaren Kamine daneben – Kernkraftwerke im Betrieb nukleare, aber als ungefährlich eingestufte Gase in die Umgebungsluft ausstoßen. Auch hier im zweiten Teil übernehmen ein paar plakative Beispiele die Stellvertretung für unzählige weitere Geschehnisse. Es geht hier um Aufklärung, nicht um eine vollständige Darstellung der ganzen nuklearen Geschichte.

Der gigantische Nuklearkomplex Hanford Site produzierte Plutonium für die Bomben von Nagasaki und Hiroshima. Verseuchte Flüsse, lecke Tanks und eine Dekontamination, die noch Jahrzehnte in Anspruch nehmen soll, sind nur ein kleiner Teil des nuklearen Erbes, aus der die heutige Atomkraftnutzung hervorgegangen ist.

Hanford Site und Los Alamos

Die USA als atomares Mutterland hat mit solchen Fällen besonders zu kämpfen. Bei der ursprünglichen Entwicklung hat man sich nicht wirklich um die Gesundheit der Menschen gesorgt. Die Nuklearfabrik Hanford Site im Bundesstaat Washington war ein wichtiger Baustein für die Atombombe. Dort wurde zum Beispiel Plutonium zu waffenfähigem Material verarbeitet. Sie gilt heute als am schwersten verstrahlte Gegend der westlichen Hemisphäre. Abfälle wurden jahrelang einfach in den nahen Columbia River geleitet. Das Ziel war die Bombe, koste es was es wolle. Auch radioaktive Dampfwolken entwichen. Die nichts ahnende zivile Bevölkerung wurde in der Umgebung krank. Fehlgeburten, Missbildungen, seltsame Kinderkrankheiten, Herzinfarkte, Krebs. Bis heute werden dort in Tanks flüssige Abfälle gelagert. Diese korrodieren und sind teils mehr als doppelt so alt wie ihre ausgelegte Lebensdauer. Man versucht seit 20 Jahren in andere Tanks umzufüllen, eine endgültige Lösung gibt es nicht. Majak lässt grüßen. Die Dekontaminierung der schon lange stillgelegten Anlagen dauert voraussichtlich noch bis ins Jahr 2052. Viel Material wird dabei aber einfach in Gräben geschüttet, um diese danach zu “beobachten”. Ähnlich schlecht läuft es in Los Alamos in New Mexico, dem Zentrum für das Manhatten-Projekt, der ersten Atombombe. Dort protestieren Anwohner wegen erhöhter Krebsraten rund um ein Lager von Atommüll. Die Bombentests der USA in ihren vermeintlich einsamen Wüsten verstrahlten die beiwohnenden Soldaten wie auch die indigene Bewohner in der Nähe der Testplätze, genauso war es später auf dem weit entfernten Bikini-Atoll im Pazifischen Ozean. Die betroffenen Menschen klagen und warten bis heute auf Entschädigungen. Unter atomaren Erbgutschäden leiden nicht nur unmittelbar Betroffene, sondern sie geben sie noch über Generationen weiter. Auf dem Atoll, in der Wüste, in den Atomfabriken – überall Müll, nukleare Hinterlassenschaften, Krankheit, Tod und immer noch Gefahr.

Das Los Alamos National Laboratory gilt mit 12’000 Mitarbeiter heute als eines der größten Forschungsinstitute der Welt. Einst hochgeheim auf einem abgelegenen Hochplateau auf 2200 Metern Höhe zusammen mit einer ganzen geheimen Stadt erreichtet, wurde hier das Manhatten-Projekt entwickelt. Man weiß von 3 Todesfällen durch Experimente. Es ist immer noch zu Teilen eine militärische Sperrzone. Hier lagern zehntausende Fässer mit Atommüll. Wie in Majak bedrohten kürzlich Buschbrände die Anlage, die deswegen sogar kurzzeitig geschlossen werden musste. Es wird unter anderem weiter an Nuklearwaffen geforscht, aber nicht mehr aktiv hier getestet.

Colonia High

Nicht nur gruselig, sondern grässlich ist das jüngste Beispiel vor den Toren von New York. Im Vorort Woodbridge in New Jersey bekam ein Umweltforscher die Diagnose zu einem seltenen Hirntumor – doch erst 20 Jahre später, als bei seiner Ehefrau und seiner Schwester praktisch gleichzeitig ebenfalls derselbe Tumor diagnostiziert wurde, ist er stutzig geworden. Sie waren alle auf der selben Schule. Seine Frau starb mittlerweile daran. Nach einem Aufruf meldeten sich über 100 ehemalige Schüler, Lehrer und Angestellte mit demselben Schicksal. Nur 12 Kilometer entfernt gab es eine einst weit außerhalb der Stadt gelegene Fabrik, die ebenfalls für das Manhattenprojekt Uran behandelte. Das Gelände wurde zwar nach langen Protesten und Problemen saniert und es wucherte eine der in den USA üblichen gigantisch riesige Einfamilienhaussiedlung darüber. Wo die radioaktiv verseuchte Fabrik war, wohnen jetzt Menschen, gibt es Straßen, Spielplätze und einen Park. Nun steht der Verdacht, dass bei der Sanierung unsauber gearbeitet wurde und sich Material von dort z.B. in den Baustoffkreislauf gelangen konnte. Man weiß noch nicht, ob es Ziegel, Beton, verseuchte Erde oder eine andere Quelle geben könnte, welche so viele Bewohner der Gegend so krank gemacht hat. Eine andere Ursache kann praktisch ausgeschlossen werden, denn der Tumor ist selten und wird üblicherweise nur von einer einzigen Ursache ausgelöst. Es liegt weder am Wasser noch der Luft, es muss Strahlung sein. Alles per Zufall entdeckt. Nicht auszumalen, wie viele solche Fälle es vielleicht bisher unentdeckt da draußen noch gibt und wer davon betroffen sein könnte. Auch in Deutschland gibt es viele Zwischenlager und Atombehandlungsanlagen.

An dieser High School in der Nähe von New York erkrankten unzählige Schüler und Lehrer an einem sehr seltenen Hirntumor. Manche starben daran. Verursacht werden kann er praktisch nur durch ionisierende Strahlung. Die Schule liegt nur 12 Meilen von einer ehemaligen Atomfabrik entfernt. Auf deren Gelände stehen heute Einfamilienhäuser.

Dreckige Waffen

Auf das Thema Waffen wollten wir ja gerade nicht mehr näher eingehen. Was Atombomben angerichtet haben, wissen wir. Und auch die komplexe nukleare Geopolitik lassen wir hier mal weg, auch wenn diese alleine ein riesiges Risiko ist und bleibt. Aber ein kurzer Exkurs in die militärische Nutzung lohnt sich trotzdem. Die USA und das Bikni-Atoll haben wir bereits kurz gestreift. Neben den Rückständen der einst sehr eiligen Entwicklung von Atombomben spielt auch heute noch Radioaktivität bei Waffen eine wichtige Rolle. Nur kurz im Fokus der Öffentlichkeit war die Tatsache, dass in jüngeren Kriegen uranhaltige Munition eingesetzt wurde. Diese hat die Eigenschaft, dass radioaktive Inhalte besonders dicht und damit schwer sind und so andere Materialien wie Panzerstahl oder Beton wie Butter durchdringen können.

Das Fatale daran ist, dass sowohl der Einsatzort als auch die damit und dort vor Ort operierenden Soldaten neben der lokalen Bevölkerung unter Verseuchung leiden können. Soldaten, welche aus Kriegsgebieten zurückkehren, in welchen solche Munition eingesetzt wurde, leiden oft an den spezifischen Symptomen einer atomaren Verstrahlung. Da diese wiederum aber medizinisch kaum oder erst viel zu spät erkannt werden und wirklich eindeutig auf diese Ursache zurückführende Folgen, wie die spezifischen Tumore in der Colonia High School, fehlen, kann niemand wirklich sagen, wie viele durch den Einsatz von radioaktiver Munition vielleicht eben sehr wohl gesundheitlich betroffen sind. Opfer werden gleich ein zweites Mal zu einem, wenn man ihnen das gesamte Buffet an anderen möglichen Risiken und Ursachen in Kriegsgebieten aufzählt. Es ist dann einfach, psychosomatische Symptome oder gar natürlich Ursachen vorzuschieben. Wie mit den erhöhten Leukämie- und Tumorfällen rund um kerntechnische Anlagen. Aufgrund fehlender Beweise zur absolut kausalen Ursache, leben Opfer mit den Folgen und der Ungewisseheit. In italien und Großbritannien gibt es aber zahlreiche Soldaten, die erfolgreich klagten und deren Folgeerkrankung wegen Uranstaubgeschossen anerkannt wurden. Für deutsche Soldaten lief das anders. Auch hier hatten viele Sorgen, die zum Beispiel im Kosovo waren. Es gab Untersuchungen, die wiederum wurden in Zweifel gezogen. Wenn du mehr wissen willst, dann empfehle ich die Recherche hier. Das Problem trifft auch die lokale Bevölkerung. Denn beim Abschuss dieser Nuklearmunition pulverisiert der Inhalt beim Einschlag und gelangt somit nicht wieder rückholbar in die Umwelt. Das gefährdet ganze Regionen langfristig. Die Radioaktivität kann sich ausbreiten. Über Staub in der Luft, welcher an wiederum an Gegenständen kleben bleibt, über die Nahrung und bei beidem damit auch auf Güter, welche rund um die Welt gehandelt werden. Das gefährdet eigentlich jeden oder jeden. Natürlich gilt hier die mathematische Wahrscheinlichkeit als Risikominderung. Aber ausschließen kann man die Gefahr eben auch nicht vollständig.

In Deutschland gibt es auch solche Orte. Auch bei uns wurde Uranmunition getestet. Und gelagert. Auf Waffenplätzen, wo – dank Klimawandel – wochenlang Moorbrände wüteten. Rund um Berlin gab es verschiedene Anlagen, wo im Zweiten Weltkrieg für Atomwaffen geforscht wurde. Es gibt in Brandenburg noch heute Orte, mit sehr hoher Strahlung, sogar in Wohngebieten, quasi am Stadtrand von Berlin. 1996 musste ein belasteter Sportplatz gesperrt werden, weil der Sand in der Sprunggrube hochbelastet war. Märkischer Sand. Bei jedem Waldbrand, wenn die Katastrophen-App Nina empfiehlt, die Fenster zu schließen, schwingt dieses ungute Gefühl mit. Die Atomtests von Frankreich in Nordafrika sind auch so ein Beispiel. Wir alle wissen, dass regelmäßig riesige Mengen an vielen Tonnen von Saharastaub jedes Jahr nach Europa weht. Aus genau dieser Sahara, wo Frankreich seine Atombomben getestet hat. Das Gelände wurde nicht dekontaminiert. Während den als Blutregen bekannten Wetterphänomenen haben NGO’s zum Beispiel im Schweizer Juragebirge erhöhte Strahlung gemessen, welche genau als die Strahlung der damaligen Atomtests identifiziert werden kann. Sie gilt zwar nicht als gefährlich, aber zeigt, wie damals nicht bedachte Einflüsse später Gefahren verändern und verbreiten können. Oft wird Strahlung als Durchschnittswert von mehreren Messpunkten gemessen. Aber schon wenigen Meter weiter können in kontaminierten Gebieten die Werte um das Vielfache höher sein. Das liegt an der zufälligen Verteilung, wie auch an biologischen Prozessen. Deswegen ist ein Pilz in Bayern gefährlich, der daneben wachsende Löwenzahn im Salat aber nicht. Genauso mit den dort heimischen Wildschweinen, die Pilze mampfen und Hasen, die eben nur den Löwenzahn fressen. Solche Effekte führen auch immer wieder zu Verletzungen oder Tod. Eine Gruppe von Hirten weideten zum Beispiel Tiere auf italienischen Waffenplätzen, die belastet waren. Plötzlich erkrankten über zwanzig der Hirten teils schwer, manche starben. Auch der Tourismus in Tschernobyl sehen manche Experten als viel gefährlicher, als bisher angenommen. Eine sich verändernde Umwelt und sich verändernde Strahlung in Kombination werden zu einer schlecht bis gar nicht beherrschbaren Gefahr für die Zukunft.

Fiese Physik

Und genau hier schieben wir die irgendwie eben doch unvermeidliche, aber kurze Chemielektion dazwischen: Atomare Stoffe strahlen unterschiedlich stark. Jeder Stoff ist mehr oder weniger instabil und durch die abgegebene Strahlung verändert sich der Stoff selber. Durch den natürlichen Zerfall der Atome bilden sich über die Zeit neue Stoffe. Jeder dieser Stoffe bzw. Elemente hat andere Eigenschaften. Die Strahlung kann unterschiedlich stark sein, nur Millisekunden oder eben Millionen von Jahre strahlen und je nach Form auch mehr oder weniger Schaden anrichten. Stark strahlend, aber nicht weit reichend und gebunden ist lokal gefährlich. Schwach und kurz strahlend, aber lose, kann zum Beispiel gefährlicher sein für Menschen. Als feinster Staub eingeatmet, kann sich ein einzelner strahlender Partikel in der Lunge einnisten und wenn er auch nur wenige Millimeter weit strahlt, verbleibt er dort und kann tödlich wirken. Und jede Strahlung ist immer gefährlich über den Faktor Zeit. Gemein ist auch, dass der natürliche Zerfall eine lange Kette ist, in welcher strahlende Materie immer wieder völlig andere Zustände annimmt. So können bei Unfällen ausgestoßene Stoffe plötzlich nach 30 Jahren Halbwertszeit für den Mensch und die Umwelt aufgrund des jetzt veränderten Zustandes wieder oder noch viel gefährlicher werden. So aktuell rund um Tschernobyl. Die Gefahr nimmt durch diese Eigenschaft über die Zeit also nicht linear ab, sondern eine Vielzahl von Faktoren kann die Gefahr spezifisch, für den Menschen eben auch plötzlich wieder ansteigen lassen. Das ist aber auch bei anderen Giften so. Wenn sie in der Umwelt mit weiteren Stoffen chemisch reagieren oder das Trägermedium wechseln – von Gestein zu Grundwasser oder Plastikteilchen zu Pflanzenzellen usw. Bei Mikroplastik sind zum Beispiel solche Effekte kaum erforscht und der Wissenschaft dämmert erst gerade jetzt, dass wir in wenigen Jahrzehnten der Kunstoffproduktion auf Erdölbasis unsere Welt für sehr, sehr lange Zeit unumkehrbar und total vergiftet haben. Exakt so verhält es sich auch mit radioaktiven Gefahren. Wir wissen schlicht noch nicht, was uns da noch alles blühen könnte. Und trotzdem machen wir weiter.

Der Uranbergbau in Ostdeutschland ließ riesige verseuchte Abraumhalden zurück. Noch bis vor zwei Jahren verkaufte man Uran, welches durch Regenwasser aus diesen sickerte af dem Weltmarkt.

Die Wismut und der nukleare Kolonialismus

Ja, die älteren Leser haben schon geahnt, dass das jetzt kommen muss. Für die jüngeren: Auch in Deutschland wurde Uran abgebaut. Das ist ein radioaktives Gestein. Die Strahlung ist sehr schwach, reichert man das Uran aber an, also konzentriert es, erhält man Kernbrennstoff und in weiteren Schritten auch waffenfähige Materialien. Üblicherweise befinden sich diese Substanzen so tief im Boden, dass sie nicht direkt gefährlich sind. Auch hier gilt das wieder für alle natürlichen Stoffe. Genauso, wie beim Bau des neuen Eisenbahnbasistunnels zwischen Frankreich und Italien asbesthaltiges Gestein aus dem Tunnelausbruch plötzlich eine Gefahr für die lokale Bevölkerung darstellt, Erdöl in tiefen Gesteinsschichten harmlos, aber an die Oberfläche sprudelnd vernichtend ist, sind die riesigen Abraumhalden der weltweiten Uranminen an der Oberfläche ein strahlendes Problem. Denn auf diese fällt Regen, der sickert durch, sammelt sich im Grundwasser und schon hat man plötzlich gefährlich erhöhte Werte. Seit der Wende hat die Sanierung der ehemaligen Uranbergwerke in Deutschland bisher 7 Milliarden Euro gekostet. Und Sanierung heißt dabei, zuschütten, fluten, im wahrsten Sinne des Wortes Gras darüber wachsen lassen. Und eben beobachten. Das heißt regelmäßig das giftige Radium oder Arsen im Wasser messen, Gruben belüften, damit sich das radioaktive Radongas nicht anreichern kann usw. Die Halden befinden sich übrigens nicht irgendwo im Nirgendwo, sondern direkt neben Wohngebieten. Bis 2020 hat man das aus den Hügeln sickernde Uran übrigens sogar noch verkauft. Jetzt sind aber die Konzentrationen zu niedrig geworden dafür. Diese DDR-Altlast der Uranförderung, welches heute in russischen Atombomben steckt, mit der uns Putin nun bedroht, ist nur eine von vielen weltweiten Altlasten, wo radioaktive Resten oder auch nur schon dabei anfallende Rückstände anderer Gifte wie Schwermetalle die Umwelt und die Menschen dauerhaft belasten. Wir haben das Problem einfach kapitalistisch abgeschoben, denn heute kommt neues Uran aus weiter entfernten Ländern. Das hat zu einer Art weltweitem atomaren Kolonialismus geführt, bei welchem wir hier wieder nicht die Verantwortung übernehmen. Dafür, dass wir munter weiter Atomkraftwerke wieder anschalten können, weil sich die CDU/CSU halt mit ihrer Energiepolitik extrem fahrlässig verzockt hat. Damit wir wiederum darum diesen Winter nicht frieren oder Stromausfälle erleiden. Um genau diese geht es dann in Teil 3.

Beispiel einer heute zugedeckten Uranhalde. Eine atomare Müllhalde mitten in Deutschland. Sie gilt damit als saniert. Auch wenn Gras über die radioaktiven Schlämme wachsen soll, werden diese Halden noch viele Generationen eine aktive Überwachung benötigen. Sanierung wie Nachsorge kosten den Steuerzahler Milliarden.

Fazit 2

Wo auch immer radioaktive Materialien eine Rolle spielten, entstand unglaublich viel Schaden, der dauerhaft ist und auch nicht wiedergutgemacht werden kann. Weltweit gibt es eine Vielzahl mehr oder weniger geheimer Nuklearanlagen, bei welchen man weder genau weiß, was dort passiert noch was in der Vergangenheit so alles passiert ist. Die lange INES-Liste zeigt nur auf, was an Unfällen bekannt wurde. Und bekannt werden Unfälle meist nur, wenn sich eine Geheimhaltung nicht umsetzen oder nicht mehr verhindern lässt, wie z.B. im zivilen Bereich, wenn zu viele Menschen Bescheid wissen, oder wenn in anderen Ländern Messinstrumente anschlagen. So war es zum Beispiel auch bei Tschernobyl. Erst als in Schweden Strahlung gemessen wurde, gab die Sowjetunion international zu, dass etwas passiert ist. Wie viele Unfälle geschehen sind, wie viele Menschen tatsächlich dabei verseucht wurden oder ums Leben kamen, wie viele Gebäude, Orte und ganze Landschaften wirklich gering bis hochgradig verstrahlt sind, kann keiner verlässlich sagen. Und gerade weil in der Anfangszeit der nuklearen Forschung und Entwicklung weder auf saubere und sichere Arbeit noch eine adäquate Müllentsorgung geachtet wurde, ist die Welt voll von für immer vergifteten Orten, Reaktorruinen, Lagertanks, atomarem Staub in der Umwelt. Bei den großen Atombombentests im Kalten Krieg konnte nichts verheimlicht werden, und das war Absicht. Der Feind sollte die eigene Potenz ja mitbekommen. Opfer davon sind Personal, Anwohner, Tiere und Ökosystem. Dabei wurden riesige Gebiete in Russland, dem Ozean, der Sahara usw. verstrahlt. Sogar die ganze Atmosphäre. An jedem Punkt der Erde können dauerhaft in der Luft die Reste der damaligen Tests nachgewiesen werden. Die riesigen Pilzwolken trieben um die ganze Welt. Auch die späteren unterirdischen Tests lassen ein verstrahltes Erbe im Untergrund zurück, welches nicht hübsch in saubere Behälter verpackt und mit der geballten Intelligenz der Wissenschaft auf jede nur erdenkliche Weise technisch so sicher wie heute möglich gelagert wurde. Das räumt auch keiner mehr auf. Viel zu teuer. Es wird einfach nur der Mantel des Schweigens darüber gebreitet. Und wer jetzt denkt, wir hätten damit hier nichts zu tun, der muss wissen, dass der Strom, mit welchem du vielleicht diese Zeilen liest (gerade noch) aus Brennstäben stammen könnte, welche in Majak aufbereitet wurden. Oder in La Hague. Viele Produkte, die du kaufst, gibt es nur, weil irgendwo nuklearer Abfall produziert wird und in der Vergangenheit wurde.

Fässer mit mittelradioaktivem Müll im ehemaligen Salzbergwerk Asse II. Es braucht nicht viel Fantasie, um zu verstehen, dass eine umsichtige, sichere und überwachbare Lagerung nicht so aussehen sollte. Instabilität und eindringendes Wasser lässt radioaktiv kontaminierte Salzlauge entstehen und die Fässer korrodieren. Dabei entwickeln sich auch Grubengase, die in einem “Blow-Out” plötzlich an die Oberfläche austreten könnten. Damit auch Radioaktivität – und zwar schon nach 50 Jahren Lagerung. Ein guter Teil der Zeit ist schon um. Die Uhr bzw. Bombe tickt. Die Lagerung gilt als gescheitert und der Müll muss wieder geborgen werden. Keiner weiß wie, denn so etwas wurde noch nie gemacht. Die Rechnung ist ab 6 Milliarden nach oben offen. Auch hier zahlt der heutige und vor allem künftige Steuerzahler alleine dafür. Ein dann definitives Endlager ist noch Jahrzehnte nicht in Sicht.

Eigentlich keine der noch betriebenen oder ehemaligen Wiederaufbereitungsanlagen in Sellafield, La Hague, Savanna River, Majak usw. hat die Umwelt nicht zu irgendeinem Zeitpunkt mehr oder weniger belastet. In keiner kam es nicht zu ernsthaften Unfällen. Auch das Argument, zivile Kraftwerke könne man nicht mit der atomaren Frühzeit und der Entwicklung von Waffen in Verbindung gebracht werden, der irrt. Immer noch produzieren viele Atommeiler als Abfallprodukt ganz bewusst und geplant waffenfähiges Plutonium. Es spielt nicht mal eine Rolle, dass, weil in westlichen Staaten die Waffenlager gut gefüllt oder gar überfüllt sind, keine neuen mehr hergestellt werden. Nur weil der Bedarf nicht mehr da ist, sind die dafür gebauten Kernkraftwerke nicht weg oder außer Betrieb. Und wo solches Material entsteht, sind auch Risiken und Gelüste der dunklen Seite dieser Welt nicht weit. Der Aufwand für Schutz und Sicherheit bleibt enorm groß. Terroristen genügen kleinste Mengen, um damit in schmutzigen Bomben verheerende Dinge anzurichten.

Die Idee eines schützenden Kreislaufes ist auch nicht die Lösung, dazu mehr im dritten Teil dieser Serie. Denn dieser ist nicht geschlossen und er produziert, wo vorhanden, sogar noch viel gefährlichere Stoffe. Ganz unabhängig von Zukunftsdebatten, Plänen für Deponien und neuen Kraftwerken, die Bilanz der Vergangenheit ist bis jetzt unvorstellbar grauenhaft, dreckig und gigantisch in ihrer Dimension als dauerhaftes nukleares Erbe für diesen Planeten. Und solange, wie wir weitermachen, wird auch weiter passieren, was bisher geschah. Unfälle, Zwischenfälle, Kontaminationen, Entweichungen in die Umwelt, Vertuschung und Kapitulation, weil weder finanziell noch technisch Möglichkeiten bestehen, die Folgen wiedergutzumachen. Selbst in Deutschland ist das Endlager für mittelgradig strahlenden Abfall, Asse II, bereits ein Sanierungsfall – aber ohne Plan, wie man das anstellen könnte. Man hat die Abfälle nicht in Sicherheitsbehälter kontrolliert gelagert, sondern einfach in simplen Fässern noch nicht mal gestapelt, sondern einfach haufenweise in die Löcher eines leeren Salzstockes geworfen. Dabei wurden diese schon zu Beginn beschädigt. Der Salzstein hat sich mittlerweile auch als durchlässig erwiesen. Jede Behauptung, dass Umgang, Nutzung und Endlagerung absolut sicher seien, hat sich bis heute innerhalb von wenigen Jahrzehnten als falsch erwiesen.

Industrie, Lobby, Energiehunger, Druck, Politik, blinder Zukunftsglaube, Profit, Risiko etc. vermengen sich vielerorts zu einer wahrlich fahrlässigen Mischung. Und genau diese konterkariert den verantwortungsvollen Umgang mit Atomtechnologie vollständig. Mehr dazu im nächsten Teil. Da schauen wir nach Frankreich und warum die politischen Verstrickungen so gefährlich sind. Es geht dabei um die politische Seite, und vor allem um die zivile Nutzung, denn die Sache mit den Atomwaffen ist noch viel komplizierter und sprengt den sowieso schon umfangreichen Rahmen hier. Die aktuelle Debatte – der Grund für diesen Beitrag – beschäftigt uns. Was läuft gerade alles in Frankreich schief, wie konnte es so weit kommen und warum sind wir auch davon abhängig, ob wir wollen oder nicht? Kann man mit Atomkraftwerken wirklich das Klima retten? Bis gleich im dritten Teil.

< Teil 1 Teil 3 >

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