Boomer vs. Klima-Kleber? Nein!

Klima trifft auf Generationen. Die einen sind viele, die anderen wollen viel. Dass ältere mehr Verantwortung als jüngere tragen, ist auch klar. Doch darf man "Boomer" sagen? Sich betutpft von diesem Begriff ablenken lassen, ist sehr einfach. Doch eigentlich appelliert er auch an andere. Eine Spurensuche.

Wir sind alle betroffen. Und auch fast alle verantwortlich.

Der Klimablog bemüht sich, auf sozialen Netzwerken alle Fragen zu beantworten und auf Leserreaktionen einzutreten. Denn Dialog, Diskurs, Austausch und Debatten bringen uns alle weiter. So funktioniert auch Demokratie. Meinungen müssen gebildet werden, und dafür muss man auch reflektieren und sich auch hinterfragen lassen können – besonders als Medium. Diese Interaktion bringt den Klimablog weiter und davon profitiert wiederum ihr, werte Leser! Doch in letzter Zeit auffällig ist eine einzelne Reaktion, die ungewöhnlich gehäuft als Kommentar auftritt. Sie läuft immer gleich ab. Es geht dabei um die Wahrnehmung von Generationen und dem Generationenkonflikt. Es ist an der Zeit, die Sache genauer zu beleuchten. Gibt es in Sachen Klima einen Generationenkonflikt? Darf es einen geben? Oder ist er sogar notwendig?

Die Reaktion

Beim Thema Klima kommt man – ob berichtend oder selber als Meinung äußernd – zwangsweise an den Punkt, unterschiedliche Wahrnehmungen und Herangehensweisen der Generationen zu benennen. Doch wenn das hier geschieht, kommt eigentlich immer mindestens eine Reaktion als Kommentar, in welchem sich ein Leser beschwert, man könne und dürfe nicht in Generationen sprechen, denn das würde der Klimabewegung nur schaden. Gleich erklärend hinterher folgt dann der eigentliche Kern. Nämlich, dass die- oder derjenige sich beschwert, nicht mit in den Topf einer Generation geworfen werden zu wollen. Das wird auch immer damit begründet, man sei schließlich anders, als seine Altersgenossen der Generation Wirtschaftsboom. Meist folgt eine Aufzählung dafür und fast immer die Erwähnung, man hätte damals schon gegen AKW’s demonstriert und würde schon immer Müll trennen usw. Der Abschluss findet sich dann meistens darin, dass die Jugend ja dankbar sein soll, da ohne sie die Umwelt heute in einem noch viel schlimmeren Zustand wäre. Aber irgendwie bleibt da auch der Geschmack, dass sich diese Betroffenen eigentlich nur lieber mit der aktiven Jugend als mit den passiven Boomern identifizieren würden. Doch welcher Generation man angehört, kann man sich zumindest als wissenschaftliche Definition nicht aussuchen. Klimaschutz geht aber unabhängig vom Alter. Wie wichtig ist also die Altersfrage?

“Geh besser studieren, dann kannst du die Welt retten!” – “Dann wird es zu spät sein!”

Nun könnte man dazu Stellung beziehen. Das geschieht vom Klimablog aus mit sachlichen Argumenten. Klar könnte man auch persönlich antworten. Ich zum Beispiel finde, dass ich mich nicht noch bedanken muss, einen nicht noch kaputteren Planeten als jetzt schon übernehmen zu dürfen. Andererseits will ich aber auch unbedingt wertschätzen, dass ohne diese kleine Gruppe der frühen Umweltschützer tatsächlich die Lage noch viel schlimmer wäre. Und zur Jugend gehöre ich auch nicht mehr. Hier kommt man auf keinen grünen Zweig, wenn man auf die Debatte eintritt. Dabei geht es vor allem um Ego und persönliches Empfinden. Der Klimablog betrachtet aber Dinge lieber auf einer generelleren und gesellschaftlichen Ebene und nicht nur aus einem einzelnen Blickwinkel. Denn natürlich kann man sich in diese Minderheit der frühen Umweltaktivisten hineinversetzen und spürt, wie unglaublich frustrierend es sein muss, denn heutigen Kindern so hilflos zusehen zu müssen.

Definitionen sind wichtig

Um diesem Komplex der Generationenfrage gerecht zu werden, braucht es Kontext. Und den sucht und liefert der Klimablog als seine eigentliche Mission. Mit Vertretern der ökologischen Bewegung ist dankbarer Weise ein fruchtbarer Schlagabtausch bzw. eine Debatte eigentlich immer möglich. Aber unter den Kommentare befinden sich auch solche, die sich wirklich nur am Begriff “Boomer” stören. Ja, dieser ist emotional und auch negativ aufgeladen. Warum das so ist, kann jeder selber googeln, das würde den Rahmen hier sprengen. Aber das Klima ist sicher nicht schuld. Der Begriff ist ursprünglich eine wissenschaftliche und neutrale Bezeichnung für eine scharf eingegrenzte Alterskohorte. Und diese Begriff in genau diesem ursprünglichen Sinne zu verwenden, ist nicht falsch. Wer in diesem Zeitfenster geboren wurde, der gehört nun mal definitionsgemäß dazu. Genau wie “Jugend” eben auch alle jungen Menschen einschließt. Das ist nicht verallgemeinernd und undifferenziert, das wird es erst, wenn man daraus einseitige Vorwürfe formuliert. “Ihr seid alle am Klima schuld”, ist so einer. Was aber aus der Sicht eines 15-Jährigen verständlicherweise gar nicht so daneben wäre. Wenn die Generationenforschung den einzelnen Altersgruppen gewisse Merkmale zuordnet, die auf die große Mehrheit zutrifft – auch wenn natürlich Ausnahmen immer auch diese Regel bestätigen – dann ist das korrekt. Unterschiedliche Bedürfnisse der Altersgruppen zu erkennen und adressieren, ist sogar ganz zentral für eine demokratische Gesellschaft. Gerade die Coronakrise hat dies deutlich aufgezeigt. Und bei der Klimakrise geht es um dasselbe, diese Unterschiede sind wichtig, damit eben kein unfaires Ungleichgewicht entsteht. Doch beim Klima und seinen Folgen tritt genau ein solches auf.

Wer sind die “Boomer” überhaupt?

Wichtig ist, dass die deutsche Definition von der internationalen stark abweicht. Denn z.B. in den USA zählen die 1946 bis 1964 Geborenen zu den “Babyboomern”. Je nach Land setzte der Boom sogar noch während dem Weltkrieg ein. In Deutschland fehlten wegen des Krieges schlicht die Männer dazu. Darum begann hier der Boom später, nämlich erst ab ca. 1955 und dauerte auch etwas länger bis 1969. Während also im Rest der Welt deutlich ältere Menschen gemeint sind beim Begriff “Boomer”, beschreibt er in Deutschland heute auch noch deutlich jüngere Mitbürger. Keine empirische Belegung gibt es dafür, dass “Boomer” wahrscheinlich mehr Menschen als nur den physischen Babyboom umgangssprachlich mit einschließt. Denn oft meint man dabei auch die, welche im Umfeld – also auch die noch folgenden Jahre – des aus dem Babyboom hervorgegangenen Wirtschaftsboomes aufgewachsen sind. Denn von diesem profitierten sehr viel mehr und wurden als Generationen grundlegend durch diesen geprägt. Es war die Zeit des uferlosen Aufschwunges. Bis weit in die Siebziger hinein kam es zu einer Explosion von Entwicklung, Infrastruktur und technologischen Errungenschaften. Atomkraftwerke, Autobahnen, Plattenbauten, U-Bahnen, die Großchemie als Branche, das Automobil oder Jetflugzeuge gehörten dazu. Und all das nährend und überhaupt ermöglichend: Erdöl. Es war und ist bis heute das Menschheitszeitalter der fossilen Brennstoffe. Die Ursache für die heutige Klimakatastrophe.

Viele Boomer sind mit einem unglaublichen Fortschrittsglauben groß geworden. Sie haben als erste in einem so großen Maße Gesellschaftsklassen kollektiv überwinden können. Viele kamen im Boom zu Wohlstand, mehr als jemals zuvor. Von Wohneigentum über Vollbeschäftigung (und damit guten Renten), moderne Annehmlichkeiten von Kühlschränken über Plastik bis hin zu Autos. All das wurde zur Selbstverständlichkeit. Heute leiten viele davon quasi Grundrechte ab. Ein Grundrecht auf Automobilität, ein Recht auf ein definiertes Maß an Wohlstand oder Konsum. Und was diesem Standard widerspricht, ist erstmal unvorstellbar und wird ablehnend bewertet. Zum Beispiel alles, was mit Verzicht zu tun hat. Dass die Jugend dem minimalistischen Konzept, teils auch notgedrungen, Vorzüge abgewinnt, wird nicht unbedingt verstanden. Denn Konsum ist ein zentrales, verbindendes Element der Boomer. Der Nachkriegskapitalismus funktionierte nur mit diesem. So lernte eine ganze Generation sich vor allem über “haben” und nicht “sein” zu definieren. Es war das Zeitalter der Statussymbole – Urlaub, Auto, Haus, Küchenmaschinen – und damit auch der Shoppingmalls. Noch während sich das alles entfaltete, geschah aber schon das Unglück. Die Pille.

Der Pillenknick…

Der Knick

Der Pillenknick ist in jeder Statistik extrem deutlich als steil nach unten stechende Kurve zu erkennen. Familienplanung und Geburtenkontrolle sind gerade in der Klimasache nichts Schlechtes, Stichwort Überbevölkerung. Aber so drastisch wie er geschah, so viele Jahrzehnte später erst sollte er extreme Wirkungen in der Gesellschaft entfalten. Nämlich jetzt. Fachkräftemangel oder die nicht mehr gedeckte Rente sind Beispiele. Plötzlich fehlt Arbeitskraft, die all den Wohlstand ermöglicht. Und das Kapital. “Geht halt arbeiten” ist nicht mehr Antwort auf alles. Auch wenn das zum Beispiel Politiker wie jüngst die Berliner Bürgermeisterin Franziska Giffey von der SPD gerade im Kontext der Klimaproteste weiter gebetsmühlenartig wiederholen.

Darum liegt viel eher beim Kapital das wirkliche Potenzial, denn es ist extrem ungleich verteilt. An der Geburtenrate kann kaum viel verändert werden, aber an der Verteilung von Geld schon. Denn der Pillenknick hat auch Folgen bei der Chancengleichheit. Viel Boomer (hier als reine Definition) kleben jetzt auf den Sesseln fest und eine ganze Nachfolgegeneration verbringen einen guten Teil ihrer Karriere damit, zu warten. Ab 1980 Geborene haben laut Studien massiv schlechtere Voraussetzungen als noch ihre Boomer-Eltern. Sie haben es viel schwerer an Eigenheim zu gelangen, heute ist es sogar weitgehend unmöglich geworden. Die Rente ist nicht mehr sicher, das reale Einstiegsgehalt ist gegenüber den Neunzigern um 20 % gesunken, sie mussten viel mehr Zeit in Bildung investieren, was das Alterssparen wiederum arg verkürzt. Letzteres war in der Zeit der Minuszinsen sogar fast unmöglich geworden. Es wird nicht mehr Anfang zwanzig geheiratet, Mitte zwanzig sind nicht mehr die Kinder da und man lebt auch nicht in den späten Zwanzigern bereits im eigenen Haus. Sondern man dümpelt von unbezahlten Praktika in schlecht bezahlte Volontariate, Stagaire, Assistenzpositionen und danach in befristete Zeitverträge. Für diese Generation ist das Wunder nie wirklich Realität gewesen – außer, sie haben geerbt. Lust auf Familie macht das alles auch nicht. Das sind die Millennials. Ihnen gemein ist auch, dass sie bei ihren Eltern noch bewusst mitbekommen haben, wie gut es diese hatten. Sie verstehen, dass die Bahn nicht immer schlecht, kaputte Brücken nicht immer kaputt, Schulen marode, Krankenhäuser zerspart oder das Klima überhitzt waren. Aber sie begreifen, von wem sie das alles übernehmen. Sie werden sich schlimmstenfalls dann dafür bedanken, wenn sie die nächste politische Führungsgenration sind. So wie man sich bettet, so wird man liegen.

…und die Altersverteilung in Deutschland.

Der Konflikt

Der Konflikt beim Klima entsteht aber gerade nicht zwischen Boomern und Millennials, sondern interessanterweise sind es eher die ganz Jungen der Gen Z, die aufstehen. Sie haben sich noch nicht im Schatten der Boomer zwangsweise arrangieren müssen. Und sie wurden auch noch kaum durch kapitalistische Angebote korrumpiert. Sprich, sie fahren noch keine gehobeneren Mittelklassewagen. In den anfangs angesprochenen Kommentaren werden an dieser Stelle übrigens gerne Handys und Easyjet als Gegenwehr zitiert. Die Jungen gehen auf die Straße, weil sie ihre Zukunft durch die Klimakatastrophe akut bedroht sehen. Doch warum? Die Berliner Polizei rät den Klimaaktivisten aktuell im Zuge der Klebeaktionen “mit rechtsstaatlichen Mitteln, um politische Mehrheiten zu werben”, anstatt sich festzukleben. Und genau das ist ein Problem. Selbst wenn alle zusammen geschlossen wählen würden, hätte sie keine Chance gegen die absolute Mehrheit der Anzahl Boomer, welche ihnen dabei gegenüber stehen. Konkret laut Forsa-Umfrage würden Stand Ende 2022 42 % der Erstwähler die Grünen wählen. Das nützt aber nichts, wenn trotzdem noch Jahrzehnte die Älteren in der zweitältesten Gesellschaft der Welt den Ton angeben. Und zwar wortwörtlich. 52 % der Bundestagsabgeordneten gehören der Generation Babyboom an, welche aber nur 23 % der Bevölkerung ausmacht. Noch mehr vertreten die Generationen des Wirtschaftsbooms. Wie sollen Jungen da die geforderten politischen Mehrheiten erreichen? Zumal ihnen in ihrem Alter die finanziellen Mittel fehlen, sie generell keine Lobby haben oder sie noch keine Macht über Positionen oder Lebenserfahrung ausüben können? Mal ganz davon abgesehen, dass die Zeit nicht dafür reichen würde. Denn das Klima wartet nicht.

Tatsächlich sehen viele Ältere das Klima als Sache der Jüngeren an. Gönnerhaft belächeln sie, jede Generation habe ihre Themen und müsse sich daran abarbeiten. Aber das Klima ist nicht mit einem AKW, der eher moralischen 68er-Bewegung oder sonst irgendeinem sekundären Thema der Jugend vergleichbar. Es ist das alles verbindende, ultimativ existenzbedrohende und alle Generationen betreffende Thema. Das ist ein ganz anders Kaliber als Selbstfindung einer mehr oder weniger politischen Jugend. Das hier ist ein planetarer Notfall! Nach jahrzehntelangem Transparente halten und mahnen, verschärft sich der Ton jetzt. Und genau das framen konservative Politiker nun als “Radikalisierung”. Und diese wurden vor allem von Boomern gewählt. Ab dem Alter von 60 Jahren aufwärts entschieden sich 49 % an der letzten Bundestagswahl für FDP, CDU/CSU oder AfD. Und nur 9,5 % für die Grünen. Aber genau wie bei der protestierenden Jugend kann man fragen, warum tun die das?

Das eigentliche Problem

Ein guter Teil aus Gewohnheit. Ein anderer Teil, weil er davon profitiert. Die fütternde oder gar überschüttende Hand beißt man nicht. Ein Teil, weil es schlicht nicht mehr genug bis zum eigenen Tod interessiert. Und ein Teil aus Ideologie, weil sie grün nichts zutrauen (wollen). Aber die Grünen als Partei kann man nicht absolut mit Klima gleichsetzten, sie sind nur ein kleiner Teil davon. Da kommt zu tragen, was Habeck kürzlich im ZDF sagte, dass die deutsche Politik im Vergleich zur USA oder anderen Ländern noch gar nicht aufgebrochen ist. Den Konservativen fehlt schlicht jedes Narrativ oder gar Konzept zur Klimarettung und oft sogar überhaupt ein Verständnis für das Klimaproblem. Deswegen wurden die Wind- und Solarindustrie aktiv vernichtet. Deswegen sind wir so von fossilem Gas abhängig geworden. Geiz war in den Krisen der Nullerjahre und der Zeit danach geil. Aber weit über das gesunde Maß hinaus. Der neoliberale Kapitalismus war nicht die Antwort auf die Finanzkrise, sondern deren Ursache. Und man kann nicht heilen, womit das Problem entstand. Und genau hier liegt das Grundproblem. Wenn man das Wort Kapitalismus in den Mund nimmt, fällt schon der ideologische Hammer. Aber tatsächlich müssen wir in der Klimafrage eben ganz grundsätzlich unser Lebenssystem hinterfragen. Und hier im Westen ist dieses eben auf die Pfeiler des Kapitalismus gebaut. Innerhalb dieses Systems haben fossile Konzerne eine absolute Übermacht. Und zwar so extrem, dass es schon längst nicht mehr demokratisch ist. 600 Erdöllobbyisten waren alleine an der Weltklimakonferenz, 15 % mehr als im Vorjahr. Die aktuelle Energiekrise zeigt dieses Ungleichgewicht. Wir sind politisch, finanziell, wirtschaftlich und persönlich im Erdöl gefangen. Und jetzt, wo sich eine zumindest technologische Befreiung abzeichnet, tut die fossile Übermacht alles, um ihren Einfluss zu retten. Dagegen sollten wir ankämpfen. Und das gelingt den Jungen alleine nicht, dafür müssen sie zwangsweise wegen ihrer zahlenmäßigen Unterlegenheit an die Älteren appellieren. Sie können aber nicht jedes Mal eine Liste vorlesen, wer alles aus welchen Gründen der angesprochenen Generation jetzt doch von ihrer Ansprache ausgenommen sei, weil er individuell doch genug Müll getrennt habe oder schon Elektroauto gefahren sei. Und eigentlich war sowieso beides nicht genug.

Ein sehr gutes Video. Der Macher dahinter beschäftigt sich mit linken Positionen in den USA. Schonungslos werden die fossile Übermacht und die soziologischen Mechanismen von Solidarität erklärt.

Handeln!

Dass diese Ansagen alle Boomer treffen, ist nicht mal so illegitim. Denn nein, Hilde und Heinz, ihr unterstützt die Jugend nicht mit Mülltrennen und Biojoghurt kaufen. Auch euer damals ausgefochtener AKW-Kampf (den der Klimablog übrigens mit der bisher umfangreichsten Beitrags-Trilogie hier gewürdigt hat) nützt gerade gar nichts. Ihr müsst leider auch bzw. wieder auf die Straße! Ja, einige von euch sind schon da, aber eine verschwindend kleine Minderheit, und die Jungen sind wie erwähnt sowieso selber schon eine. Zwar ist eine Mehrheit der Bevölkerung bereits für Klimaschutz – aber sie fordert ihn aus Bequemlichkeit und Furcht vor eigenen Einschnitten nicht ein. Eine Ampel kommt mit Klimazielen, die weit unter dem Pariser Abkommen liegen, einfach davon. Und selbst diese eigenen Ziele hält sie nicht ein. Die Union hat sich vorher sogar 16 Jahre lang gar nicht gekümmert, sondern einen klimafreundlichen Umbau der Industrie aktiv verhindert. Und das war der eigentliche Maskendeal des Jahrhunderts – welcher uns jetzt das Genick zu brechen droht. Dazu sitzt nun die FDP fortsetzend für die CDU weiter auf der Schuldenbremse. Superreiche werden nicht zur Kasse gebeten, obwohl einige von ihnen sogar darum betteln. Man schont Großkonzerne und wirft den Ölmultis Tankrabatte hinterher, welche dieses Jahr so hohe Gewinne schreiben wie noch nie in der gesamten Geschichte zuvor. Das ist so, weil eine sehr kleine Gruppe von mächtigen Entscheidern gegen die Interessen der gesamten restlichen Menschheit entscheidet. Wir können nicht von heute auf morgen den Kapitalismus abschaffen – ein Umbau geht hier nur langfristig, zum Beispiel mit einer Umverteilung von Macht, Stichwort Grundeinkommen. Die wenigen Jahre, die uns noch bleiben, müssen wir aber realistisch mit den Mitteln, die wir jetzt haben, bestreiten. Und das geht sehr wohl!

Solidarität nutzen

Überall wo der Markt nicht leistet, tat es schon bisher die Solidarität. Beispiele sind der Straßenbau – würden diese da gebaut, wo es sich lohnt, hätten wir viel weniger davon. Oder Wohnbaugenossenschaften, Arme sind kein oder kaum ein Geschäft. Oder öffentlicher Nahverkehr, der bringt gesellschaftlich viel, rechnet sich aber nicht selber. Dabei begann dessen Geschichte gerade besonders kapitalistisch. Von London über New York, Paris, Madrid bis Berlin gab es in den Anfängen private Aktiengesellschaften, welche die U-Bahnen bauten – oft gar für jede Linie eine separate. Sie wurden später alle verstaatlicht. In dieser Krise, in der Klimakatastrophe müssen wir uns gegen den neoliberalen Ausverkauf der letzten 30 Jahre zur Wehr setzten. Alles Überlebensnotwendige zumindest muss reguliert werden oder ganz in gemeinschaftliche Hände. Ein Beispiel: In London wurde die Straßenmaut gerade auf die ganze Stadt ausgedehnt – die Einnahmen werden zweckgebunden in den Nahverkehr investiert und damit an die ärmere Bevölkerung zurück verteilt – klimafreundlich! Aber all diese notwendigen Veränderungen kann die Jugend nicht alleine leisten, sie hat keine Mehrheiten und wird in nützlicher Frist auch keine gewinnen. Sie kann nicht einfach warten bis in 40 Jahren genug Boomer gestorben sein werden und es dann selber besser machen. Dann ist es für das Klima zu spät. Viele Boomer werden zudem selber zu Lebzeiten noch gewaltige Nachteile, sei es direkt durch den Klimawandel oder den dadurch erodierenden Wohlstand, erfahren. Es lohnt sich also auch persönlich, jetzt aktiv für Veränderung einzutreten. Weniger Kapitalismus ist nicht nur für das Klima gut, es wird nicht ohne ihn gehen, aber nur mit entschieden weniger davon. Man denke nur an die Pflege. Und das ist eure Aufgabe, liebe Erwachsene, ob Boomer oder nicht. Und nicht die von verzweifelt streikenden Schulkindern. Wer mit eigener Nachhaltigkeit argumentiert und sich deswegen von der Verantwortung ausnehmen lassen möchte, der ist auf die BP-Masche mit dem Fußabdruck hereingefallen, welche das Klimaproblem auf das absichtlich damit überforderte Individuum herunterbrach.

Die Omas for Future haben es begriffen. Genau wie die Psychologists for Future, die Scientists for Future, die Teachers for Future, die Lawyers for Future… oder die Parents for Future!

Fazit

Alle müssen handeln. Egal, wie lange sie schon gearbeitet haben. Dieses “Erstmal leisten, bevor ihr demokratische Rechte wahrnehmen dürft!” ist bigott und das Gegenteil von demokratisch. Die Millennials müssen als Sandwichgeneration auch was davon tragen. Aber bedeutend weniger als eben ihre Eltern. Sie werden, wie jetzt die Boomer, trotzdem mitgehangen und mitgefangen sein. Generationenkonflikte sind wichtig und gut und gerade jetzt so wie vielleicht noch nie. Sich entrüstet abwenden ist einfach, wirklich hin stehen und nicht nur nachhaltiger shoppen, sondern politisch umdenken und fordern, das braucht Mut, das ist die Tat. Euer Leben war nur ein Fehler, wenn ihr jetzt nichts geändert haben werdet. Nur besser konsumieren reicht nicht. Klimakleber verurteilen ist einfach. Doch was sich wirklich nicht gehört, sind Politiker, die sich über internationale Verträge, das Bundesverfassungsgericht und die Rechte auf Unversehrtheit künftiger Generationen hinwegsetzen. Wer jetzt Gefängnisstrafen für Klimaaktivsten legitimiert, der versteht die Gefahr für die Demokratie und damit auch für die Fähigkeit, den Klimawandel zu bekämpfen nicht. Und der muss die eben genannten Politiker eigentlich auch einsperren wollen. Die neoliberale Selbstverantwortung führt nur zu persönlicher Überforderung und als Folge zu Paralyse – dem Ziel der fossilen Lobby. Und dafür instrumentalisieren die Jungen nun eben die Boomer. Denn nur Boomer können Boomer stoppen. Dafür müssen diese wütend werden und sich selber hinterfragen. Das ist nicht schön, aber effektiv.

Vor allem Solidarität, über Generationen hinweg, ein Kampf Gut gegen Böse und nicht alt gegen jung, kann was bewirken. Jedoch Fehler eingestehen, aus dem Auto aussteigen und mit weniger leben lernen, das muss man schon von sich fordern lassen. Egal, wie sehr man sich auf den versprochenen Lebensabend in Saus und Braus gefreut hat. Es muss jetzt halt auch mit Tempolimit gehen. Man kann auch auf dem Fahrrad sausen, im Zug brausen (weiter als man denkt) und das Alter auch ohne Kreuzfahrt genießen. Kritik annehmen ist nicht einfach, aber der einzige Weg zur Korrektur. Kleben wir uns alle besser zusammen, als weiter ans Erdöl. “Boomer” ist kein Angriff, sondern eine appellierende Einladung, die eigenen Positionen und vor allem Verantwortung nochmal zu überdenken. Und wenn man das wirklich tut, führt irgendwie kein Weg an ultraradikalem Klimaschutz vorbei, auch wenn es etwas kostet. Immer mehr Richter sehen das übrigens genauso, denn in der anderen Waagschale liegt der sonst unausweichliche Klimakollaps der Kipppunkte. Ein Anspruch auf Ausnahme, nur weil man sich eine Solardach leisten konnte, besteht nicht.

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