COP 27 – Die Ergebnisse und was jetzt passiert

Die Welt und das Klima - zum 27. Mal trafen sich fast alle Länder an der jährlichen Weltklimakonferenz. Was wurde dieses Jahr verhandelt? Ein Kurzüberblick, damit du mitreden kannst.

Das jährliche Klimatreffen, was und wie viel passiert da? Photo: user6702303 on Freepik, mod. made

Der Medienhype in der Tagespresse ist schon vorbei. Aber seriöse Informationen gibts eben erst hinterher. Während der COP kann man nur berichten, wer denn so symbolisch sich hat ablichten lassen und dass das Abschlussabkommen wieder einmal schwerfällt. Jedoch danach kann man richtig über die erreichten Fakten berichten. Um was ging es, was wurde beschlossen? Wer tanzt aus der Reihe? Wer hat welche Dinge gesagt, die wirklich etwas bedeuten? Und zu welchem Ergebnis kam man denn nun schlussendlich? Spoiler: zu fast nichts und trotzdem war eine Sache extrem wichtig.

Um was ging es?

Um nichts mehr, als die Rettung der Welt und der Menschheit. Seit dreißig Jahren schon. Doch das ist kein Grund zur Resignation, denn man muss die Geschichte der Weltklimakonferenz kennen. Und die liest sich wie ein Hollywood-Thriller. Hauptthemen dieses Jahr waren die Dekarbonisierung und ein Fonds, um den globalen Süden für durch den Norden verursachte Schäden zu entschädigen.

Wer war da?

Seit der COP12 in Nairobi wurde klar, dass nicht nur Unterhändler hinfahren sollen, sondern Staatschefs ebenfalls aufschlagen müssen. Der Symbolik wegen, um die Aufmerksamkeit der Welt mehr darauf zu lenken, aber auch um Gewicht in die Sache zu legen. Die Oberhäupter jetzt alle aufzuzählen, wäre langweilig und deren Auftritte titelte jedes Käseblatt. Erwähnenswert erfrischend aus Deutschland war allerdings Luisa Neubauer angereist. Ganz Greta-like fuhr sie mehr oder weniger medienwirksam mit der Eisenbahn so weit wie möglich hin und flog nur das letzte Stück. Warum ist gerade sie wichtig? Weil hierzulande die Politik sich gerade noch selber umsortiert und mit dem neuen Ampelformat eher selber blockiert als findet, repräsentiert tatsächlich sie die Klimabewegung bzw. überhaupt Bewegung im deutschen Sprachraum. Und rein diese Tatsache muss einem schon sehr zu denken geben. Denn Scholz als eigentliches geopolitisches Schwergewicht musste leider ziemlich verschämt den Kopf einziehen, da er gleichzeitig gerade fleißig Gasdeals abschließt und so ziemlich das Gegenteil tun muss, von dem, was an der COP gefragt ist. Luisa als Gesicht der Fridays for Future wurde deswegen gerne als Stellvertreter vom ÖRR für die Nachrichten interviewt, von der Presse gelöchert und kommunizierte aber auch selber über soziale Medien direkt aus Sharm-el-Sheik. Gekonnt wechselte sie noch vor Ort von Twitter nach Mastodon und distanzierte sich aber auch vom Rummel. Der Kanzler blieb derweil wie immer kaum greifbar, fiel nicht mit Meinung oder Richtung auf. Gut für die Klimabewegung, eher nicht so für die Gesamtampel. Die scheint die Hände mehr damit voll zu haben, die Scherben der deutschen Energiepolitik zu kleben, als sich mit der Klimazukunft zu befassen.

Wo stehen wir bzw. die Welt?

Immer noch beim Aftermath von Paris. Denn dort wurde 2015 das verbindliche Abkommen geschlossen, welches Kyoto ersetzte und sich neu vor allem an den Kipppunkten des IPCC, also dem plakativen 1,5 Grad-Ziel orientiert. Immer noch gibt es viele Länder, welche zu Hause beraten, wie man denn diese Ziele erreichen könne. Daraus werden politische Aktionspläne, Zusammenarbeiten und nach und nach noch Ratifizierungen. Kurz: es dauert alles. Und das, während eigentlich die Zeit gerade Showdown-mäßig abläuft. Denn es wären jetzt nach Vertrag und Papierkram nun sofort Taten gefragt. Große Taten. Und die waren auch als Diskussionsthema angedacht, konkret wäre es um die Dekarbonisierung und deren verbindlichen Beschluss gegangen. Doch diese Suppe hat Putin versalzen. Energie ist knapp, teuer und alle ringen um die Resten. Reiche Staaten im Norden kaufen alles auf, der Süden war bisher eher Zaungast und wird jedoch, je mehr er betroffen ist, ungehaltener. Gut, dass da ein zweites großes Thema traktandiert war.

Szene von der COP27

Was wurde erreicht?

Und dieses zweite Thema war der Fonds für Klimausgleichszahlungen. Erreicht wurde der leider vorerst nur auf Papier. Man beschloss zwar, dass es eben einen solchen geben soll, dafür wird aber erstmal eine Arbeitsgruppe gebildet und man redet nächstes Jahr in Dubai weiter. Dabei geht es gerade in diesem Punkt um extrem viel. Für viele Staaten auf der Südhalbkugel mitunter auch um die Existenz. Denn die können am wenigsten für die globale Erwärmung, aber es trifft sie am meisten und auch als erste. Der eigentliche Bedarf der Staatenvereinigung G77, welche mittlerweile aus 134 Staaten vor allem des globalen Südens besteht, um mit dem Klimawandel klarzukommen, beträgt astronomische 2,4 Billionen Dollar. Und das jährlich. Ja, du hast richtig gelesen – jährlich! Bezahlen sollen das die reichen Staaten auf der Nordhalbkugel bzw. die Verursacherländer. Zumindest ein Teil. Denn es wird auch Kredite, eigene Anteile der Empfängerstaaten usw. geben. Der Ausgleich gibt es vor allem, um Treibhausgasemissionen zu senken und Schäden wie Verluste durch den Klimawandel zu beseitigen. Und damit ist die Ursache bei uns noch kein bisschen behoben. Und es ist wohl ein unglaublicher Zufall, denn dafür gibt es auch eine Zahl – die zufällig absolut genau gleiche. Die sogenannte Agora-Analyse der EU kommt alleine für Europa auch auf den Betrag von 2,4 Billionen, allerdings in Euro und nicht jährlich, sondern bis 2027. Hier benötigt man das Geld für einen Anschub der energetischen Gebäudesanierung, den Ausbau des europäischen Bahnstreckennetzes und der Ladeinfrastruktur für Elektroautos, für das Hochfahren der Wasserstoffindustrie und für die klimaneutrale Umstellung europäischer Fabriken. Im EU-Haushalt sind aber gerade mal mickrige 80 Milliarden zusammengekommen. Das sind nur 3 % desselben und damit viel zu wenig. Nun ohne Großbritannien müssen für Paris die restlichen 27 EU-Staaten bis 2030 ihre Treibhausgasemissionen um 44 % senken.

Wie geht es weiter?

Doch bei uns ist man, wie schon erwähnt, damit beschäftigt, das Gegenteil zu tun. Im Norden baut man Pipelines, LNG-Terminals und Gasinfrastruktur wie blöd, während man im Süden (also der Erde, nicht Deutschlands) Staaten darum anbettelt, neue Gasfelder zu erschließen. Vor kurzem bestand noch der Plan, dem Süden dafür Geld zu bezahlen, fossile Brennstoffe im Boden zu lassen – ein absolutes Paradoxon. Und daran ist Russland nicht alleine Schuld, sondern die gierige und kurzsichtige Energiepolitik vieler Staaten, insbesondere Deutschlands. Ein Wumms um den anderen wird beschlossen, fürs Klima hat man scheinbar kein Geld mehr. Jedenfalls fast. Scholz verkündete zwar im Zuge der COP auch, 2 Milliarden für Waldschutz ausgeben zu wollen, und für die ärmeren Länder 170 Millionen. Nein, für die nicht Milliarden, nur gerade Millionen. Das ist praktisch nichts. Gegenüber dem Bedarf von jährlich 2,4 Milliarden geradezu spottend wenig. Wer jetzt an dieser Stelle unkt, Deutschland stelle ja auch nur 1,1 % der Weltbevölkerung, dem sei erklärt, dass wir aber gerade CO2 für mehr als 2 ausstoßen und dass wir historisch – also seit der Industrialisierung – gar für 5 % des CO2 verantwortlich sind.

Verteilung, Verantwortung, Energiekrise – und viel Geld.

Der Elefant im Raum

Die USA hielten den Ball flach, denn es waren ja gerade Midtermwahlen. Aber Biden hat auch schon viel mehr seiner Hausaufgaben gemacht, denn im Juli wurde von seiner Regierung ein Klimapaket von 369 Milliarden vorgestellt. Finanziert wird dieses übrigens zu einem guten Teil von reichen Konzernen. Und genau von da kam lange Widerstand, denn höhere Steuern würden die Inflation noch mehr antreiben. Man trieb aber vor allem die Zinsen nach oben und leidet darunter weniger als die EU. Die große Posse gab es jedoch rund um China. Dieses lässt sich doch tatsächlich immer noch wie zu Gründungszeiten der COP als quasi Entwicklungs- bzw. Schwellenland listen, welches von Zahlungen ausgenommen sein sollte. Doch China ist heute eine Hightechmacht, die rund 30 % der globalen Emissionen verursacht. Das Land baute zwar letztes Jahr immer noch mehr als 20 Gigawatt Kohle zu (2005 waren es noch deren 80), die Tendenz ist jedoch stark abnehmend. Wohl zugunsten von Erneurbaren, denn China baut gleichzeitig auch Solar zu (54.9 GW), und zwar mehr als die USA (26,9 GW) und die EU (25 GW) zusammen! Also gigantische Mengen. Ein Fokus dabei ist Agrivoltaic.

Das Vorgehen von China, nicht zu zahlen und vor allem in Sachen Klima in sich selber zu investieren, ist derzeit Gegenstand von politischen wie aber auch wissenschaftlichen Debatten: Soll man nicht zuerst im Norden die Ursachen beheben und möglichst schnell mit der bestmöglichen Technik dekarbonisieren, noch bevor man dem Süden Geld gibt, der dann langwierig auf Technologietransfers angewiesen ist und wo auch leider die Realität besteht, dass so einiges in der Korruption verschwinden wird? Oder muss es gleichzeitig und fair ablaufen, also der Norden dem Süden dafür Geld zahlen, dass der sich genauso an der Klimarettung beteiligen kann? Der Kompromiss ist ja jetzt beschlossen. Es gibt Geld, aber eher für die Schäden und Anpassungen, und im Norden wird mehr oder weniger zaghaft aufgebrochen. Ob und wie viel dabei aber zusammenkommt, werden wir (vielleicht) an der COP28 erfahren. Wie gut die weltweite Solidarität funktioniert, wenn es darauf ankommt, haben wir schmerzhaft bei den Impfstoffen erleben müssen. Beim Klima verlieren wir alle – denn hier kann sich niemand alleine retten. Das geht nur gemeinsam. Eine gewisse gegenseitige Abhängigkeit besteht bei der raus geschobenen Zielvereinbarung zur Dekarbonisierung. Denn die Hauptblockierer dieser sind in den G77 zu finden, darunter Iran, Saudi Arabien und eben China. Wenn der Norden über den jetzt beschlossenen Fonds zahlen soll, wird das wohl nur gegen verbindliche Ausstiegsziele der erwähnten Staaten gehen. Und genau hier zeigt sich ein großes Problem, denn zu viele Länder mit zu vielen Interessen ziehen Lösungen in die Länge. Der Klimaforscher Mojib Latif sagte im Rahmen der COP folgendes:

“Klimakonferenzen in dieser Form sind nicht zielführend. Wir brauchen eine neue Format. Es wäre viel effektiver, wenn sich nur die großen Verursacher von Treibhausgas-Emissionen zusammensetzen würden.”

Mojib Latif, deutscher Meteorologe, Ozeanograf, Klimaforscher, Seniorprofessor der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel und am Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel

Kurz: Wenn man die Geldzahlungen an Reduktionsziele bindet, dauert es zu lange. Und die Empfänger sind auch Verursacher. Neue und effektivere Formate, um das Pariser Abkommen möglichst schnell physikalisch umzusetzen, sind also gefragt. Latif sagt, dass die G20 rund 80 % der Emissionen ausstößt. Es müssten sich also nur 20 Länder zusammensetzen, um da voranzukommen. Und genau hier tritt plötzlich der sonst eben nicht sehr sichtbare Kanzler Scholz ins Rampenlicht. Er warb auf der COP für seinen Klimaclub. Ein rascheres Übernehmen von Verantwortung der größten Dreckschleudern, finanziell wie auch bei den Emissionen, könnte die verfahrene Situation der Weltklimakonferenz auflösen. Und Deutschland gehört definitiv dazu.

Fazit

Viele bezeichneten die COP27 enttäuscht als Nullrunde, ähnlich wie die Corona-COP, welche von Brasilien nach Chile und dann Spanien verlegt wurde (Greta segelte umsonst um die Welt). Und das stimmt auch ziemlich, denn verbindlichen Plänen für den Ausstieg aus Erdöl oder Gas wollte sich mitten in der Energiekrise keiner hinreißen lassen. Rund 600 Lobbyisten von Erdölkonzernen waren übrigens auch vor Ort, rund 15 % mehr als im Vorjahr. Sie dürften ziemlich gewirkt haben. Es wäre aber auch eine Doppelmoral gewesen, Ausstiege zu konkretisieren, während man eigentlich wie Deutschland derweil noch richtig fett einsteigt. Es sind wirre Zeiten, die selbst gegrabene Grube ist tief und die Zeit läuft ab. Eigentlich jetzt. Ab 2025 müsste bei uns der CO2-Ausstoß beginnen zu sinken. Doch die FDP steht auf der (Schulden-)Bremse, Scholzschen Wummse gehen in alles andere als das Klima. Wir haben momentan eher Angst zu frieren, als vor der Hitze, obwohl wir gerade die letzten Tage des extremsten Klimajahres hinter uns bringen. Es verging fast keine Woche ohne Dürre, Waldbrände, Todesstürme, Klimaschäden – und dazu noch Krieg, Inflation… you name it. In Deutschland kam es gar zur völlig entgleisten Debatte, ob Klimaschutz nicht gerade Luxus sei und die Klimakids nicht fehl am Platz seien. Dann drehte der Wind aber mit den Klebeaktionen wieder deutlich.

Wird Scholz doch noch zum Klimakanzler mit seinem Klimaclub? Gleichzeitig Gasdeals auszuhandeln, macht diese Rolle enorm schwierig.

Während China unfassbare Mengen an Erneuerbaren baut, die USA riesige Investitionen in die eigene Klimaindustrie beschließt und die Welt sich gar über Geld für den Süden einig wird, sitzen wir in Europa gebeutelt von Vladimir im Chaos von kaputten Atommeilern, weggesperrten Klimaaktivisten, reaktivierten Kohlekraftwerken und einer geizigen Politgeneration, die lieber Tankrabatte beschließt, über Aktienrente diskutiert, in Lichtgeschwindigkeit fossile Energieinfrastruktur hinklotzt, aber kaum ein Windrad genehmigt bekommt. Europa fällt gerade zurück. Das hat für uns und die ganze Welt Konsequenzen. Anstatt Solarvalley und Windfabriken, haben wir eine explodierte Gaspipeline. 70 % der Solarproduktion kontrolliert China. Und rasselt mit diesem Asset nun deutlich mit dem Taiwan-Säbel. Wir bezahlen jetzt für die verschlossenen Augen der letzten zwei Jahrzehnte (ja, liebe #CDU). Darum mit dem Finger auf andere an der COP zeigen, ist ein zweischneidiges Schwert. Habecks Windkraftgesetz und Frankreichs jüngster Beschluss, in nur 5 Jahren alle Parkplätze mit mehr als 100qm mit Solarzellen mit einer Leistung von 10(!) Atomkraftwerken überbauen zu wollen, sind aber Lichtblicke. Der Ausgleichsfonds wird noch viel zu reden geben, denn das wird teuer. Irgendwann muss mehr als nur Reparation fließen, damit auch andere anfangen können mit aussteigen. Aber auch dafür müssen ebenfalls wir Vorbild sein – auch aus historischer Verantwortung.

Es werden entbehrungsreiche Jahre, vor allem für die heutige Jugend. Es sei denn, wir können uns ebenfalls zu höheren Steuern und einer Umverteilung durchringen. Die Welt machts gerade vor. Auch wenn es zu Beginn noch so aussah, als freunde sich diese gerade mit ihrem eh schon vage formulierten Pariser Ziel von nunmehr doch eher 2 Grad an, konnte man zum Schluss doch noch mindestens auf Papier an den 1,5 Grad weiter festhalten. Du hast die Ehre, den vielleicht entschiedensten Jahre oder gar Monate der Menschheitsgeschichte beizuwohnen. Nächstes Jahr wird es wohl dazu ziemlich abgefahrene Bilder aus Dubai geben, dem wohl klimafeindlichsten Ölscheich-CO2-Fiebertraum schlechthin. Wenn nicht dort, wo sonst könnte man noch plakativer den Unterschied zwischen oben und unten zeigen? Hoffentlich hilft das dem nun erstmal geplanten Ausgleichsfonds.

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